Leitsatz (amtlich)

1. Ist die der Eintragung einer Baulast zugrundeliegende Verpflichtungserklärung unwirksam, hat das die Unrichtigkeit des Baulastenverzeichnisses zur Folge.

2. Der Eigentümer kann wegen des durch die Eintragung einer Baulast begründeten Rechtsscheins der öffentlich-rechtlichen Belastung seines Grundstücks die Unrichtigkeit des Baulastenverzeichnisses geltend machen.

3. Die Übernahme einer Baulast ist eine Verfügung im Sinne des § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

4. Die Berufung auf Treu und Glauben kann die fehlende vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einer Verpflichtungserklärung zur Übernahme einer Baulast nicht ersetzen.

 

Normenkette

VwGO § 42 Abs. 1; BauO NW § 78 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; BGB §§ 1643, 1821 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

VG Arnsberg (Aktenzeichen 4 K 504/92)

 

Tenor

Die Kläger zu 1. und 2., Miteigentümer eines Grundstücks, begehren die Löschung zweier zu Lasten ihres Grundstücks in den Jahren 1986 und 1987 eingetragenen Baulasten. Grundlage dieser Baulasten waren Verpflichtungserklärungen, die der Kläger zu 1., zugleich für den Kläger zu 2., seinen damals noch minderjährigen Sohn, mitunterzeichnet hatte. Der Beklagte lehnte den Antrag ab, Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Auf die Berufung hat das OVG den Beklagten verpflichtet, die streitigen Baulasten zu löschen.

 

Gründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGO zulässig. Bei der – hier erstrebten – Löschung einer Baulast handelt es sich um einen Verwaltungsakt.

Vgl. OVG NW, Urteile vom 29.9.1978 – XI A 112/78 –, BRS 33, Nr. 156, und vom 22.9.1987 – 7 A 33/82 –, BRS 48, Nr. 148.

Das gilt auch dann, wenn die Löschung der Baulast wegen deren Unwirksamkeit keine konstitutive Wirkung hat; denn dann wird zumindest der von der eingetragenen Baulast ausgehende Rechtsschein der wirksamen Übernahme beseitigt.

Die Klage ist auch begründet. Die Kläger haben Anspruch auf Löschung der im Baulastenverzeichnis der Stadt eingetragenen Baulast. Die der Eintragung der Baulasten zugrundeliegenden Verpflichtungserklärungen sind unwirksam. Das Baulastenverzeichnis der Stadt ist deshalb unrichtig. Derjenige, der durch die zur Unrichtigkeit führende Eintragung in seinen Rechten verletzt ist, hat einen Anspruch darauf, daß die Eintragung gelöscht wird.

Vgl. OVG MW, Urteil vom 22.9.1987, a.a.O.

Die Voraussetzungen für einen Löschungsanspruch liegen vor, weil das Baulastenverzeichnis unrichtig ist; denn die darin eingetragenen Baulasten sind nicht wirksam begründet worden.

Vgl. dazu Senatsurteil vom 26.4.1994 – 11 A 2345/92 –, NWVBl 94, 416 = DWW 94, 22, m.w.N.

Die in Rede stehenden Baulasten sind nicht entstanden, weil die entsprechenden Verpflichtungserklärungen der Kläger nicht den sich aus § 78 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BauO MW ergebenden Voraussetzungen genügen.

Denn jedenfalls war der Kläger bei Abgabe der Verpflichtungserklärung in der Vertretungsmacht beschränkt.

Bei Miteigentum an einem Grundstück, für das eine Baulast übernommen werden soll, sind von allen Miteigentümern entsprechende Verpflichtungserklärungen abzugeben.

Vgl. Boeddinghaus/Hahn, BauO NW, Stand: März 1994, § 78 Rdnr. 49.

Die demzufolge jeweils erforderlichen Erklärungen beider Kläger lagen nicht vor. Die Erklärungen des seinerzeit minderjährigen Klägers zu 2. sind unwirksam, weil der ihn vertretende Kläger zu 1. in seiner gesetzlichen Vertretungsmacht als Vater gemäß i 1643 BGB i.V.m. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB beschränkt war. Danach bedürfen Eltern zu Rechtsgeschäften für ihre minderjährigen Kinder u.a. dann der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes, wenn sie über ein Grundstück verfügen. Eine Verfügung im bürgerlich-rechtlichen Sinne ist jedes Rechtsgeschäft, das unmittelbar darauf gerichtet ist, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, sei es durch Übertragung, Belastung, Inhaltsänderung oder Aufgabe.

Vgl. Soergel-Damrau, BGB, 11. Aufl., § 1821, Rdnr. 3, und Palandt-Heinrichs, BGB, 54. Aufl., Überblick vor § 104 Rdnr. 16.

Zwar wird mit der Erklärung gemäß § 78 BauO NW lediglich die Verpflichtung zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen übernommen. Dennoch unterscheidet sich dies von der schuldrechtlichen Verpflichtungserklärung durch ihre dingliche Wirkung. Eine solche erfordert nicht, wie das VG annimmt, daß das Eigentum in seiner Substanz beeinträchtigt wird. Vielmehr lastet die durch die Baulast gesicherte Verpflichtung unabhängig von der Person des Eigentümers auf dem Grundstück. Sie wirkt deshalb auch gegenüber dem Rechtsnachfolger des Grundstückseigentümers, erlischt nicht durch den Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren und kann durch Ordnungsverfügung der Bauaufsichtsbehörde durchgesetzt werden.

Vgl. Senatsurteile vom 13.3.1990 – 11 A 1587/88 – und vom 26.4.1994 – 11 A 2345/92 –, jeweils m.w.N.

Auch ein Vergleich der Baulast mit dem inhaltlich vergleichbaren dinglichen Recht der Grunddienstbarkeit nach §§ 1018 ff. BGB bestätigt diesen Befund: Der Bestand einer Baulast hängt nicht von der an privaten Interessen orientierten Dispositionsfreiheit freier Vertragspartner ab...

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