Leitsatz (amtlich)
Nach Sinn und Zweck der §§ 20, 23 ZVG ist die Übernahme einer Baulast durch den Grundstückseigentümer auch gegenüber dem späteren Ersteigerer des Grundstückes in der Zwangsversteigerung nicht wirksam, wenn schon vor der Bewilligung der Baulast der Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch eingetragen war.
Verfahrensgang
VG Minden (Aktenzeichen 9 K 2141/92) |
Tenor
Die Kläger begehren vom Beklagten die Löschung einer Baulast aus dem Baulastenverzeichnis. Sie sind Eigentümer eines Grundstücks, das im Wege der Zwangsversteigerung erworben worden ist. Die Baulast war von der früheren Grundstückseigentümerin zu einem Zeitpunkt übernommen worden, als bereits der Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch eingetragen war.
Gründe
…
Die von dem Beklagten abgelehnte Löschung der Baulast stellt einen Verwaltungsakt dar. Ob bereits die Eintragung der Baulast nach § 78 Abs. 1 Satz 3 BauO NW als Verwaltungsakt einzustufen ist, mit der Folge, daß die Löschung als „actus contrarius” dessen Rechtsnatur teilt,
so das Urteil des Senates vom 29.9.1978 – 11 A 112/78 –, BRS 33 Nr. 156 das sich auf § 99 BauO NW a.F. bezieht,
braucht nicht entschieden zu werden.
Jedenfalls kommt der Löschung die einem Verwaltungsakt eigene Rechtswirkung zu, weil ein entsprechender Vermerk im Baulastenregister einzutragen ist, der den Rechtsschein einer bestehenden Baulast beseitig.
Vgl. Urteil des Senats vom 29.9.1978, a.a.O.; OVG NW, Urteil vom 22.9.1987 – VII A 33/82 –, BRS 48 Nr. 148.
Die insoweit zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die Weigerung des Beklagten, die Baulast im Baulastenverzeichnis zu löschen, ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Einen Anspruch auf Löschung hat derjenige, der gemäß § 78 Abs. 3 Satz 2 BauO NW den Verzicht bezüglich der Baulast fordern kann. Aber auch dann, wenn das Baulastenverzeichnis unrichtig ist, hat derjenige, der durch die zur Unrichtigkeit führende Eintragung in seinen Rechten verletzt wird, einen Anspruch darauf, daß die Eintragung gelöscht wird.
Vgl. OVG NW, Urteil vom 26.4.1994 – 11 A 2345/92 –; Urteil vom 22.9.1987 – 7 A 33/82 –, a.a.O.
Der Löschungsanspruch stützt sich insoweit auf das – in Art. 14 GG gewährleistete – Recht auf Eigentum. Er zielt auf Beseitigung einer Eigentumsbeeinträchtigung dahingehend, daß das Grundstück ausweislich des Baulastenverzeichnisses öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterliegt, die für, den Rechts- und insbesondere für den Grundstücksverkehr von Bedeutung sein können. Der Umstand, daß diese Grundstücksbelastung mangels Wirksamkeit der eingetragenen Baulast von Rechts wegen nicht existiert, hindert den Anspruch nicht; denn der Scheintatbestand gründet sich auf den Inhalt eines öffentlichen Registers, für dessen Richtigkeit und Vollständigkeit immerhin eine tatsächliche Vermutung besteht.
Vgl. Urteil des Senates vom 29.9.1978 – 11 A 112/78 –, a.a.O.; Urteil des Senates vom 3.2.1986 – 11 A 742/84 –.
Die Voraussetzungen eines Loschungsanspruches liegen hier vor, weil das Baulastenverzeichnis unrichtig ist.
Unrichtig ist das Verzeichnis, wenn und soweit darin eine Baulast eingetragen ist, die entweder von vornherein nicht entstanden ist oder nicht mehr besteht.
Vgl. Urteil des Senats vom 26.4.1994 – 11 A 2345/92 – mit weiteren Nachweisen.
Die hier in Rede stehende Baulast ist nie entstanden. Eine Baulast entsteht nämlich unter anderem dann nicht, wenn derjenige, der sie seiner eigenen gegenüber der Bauaufsichtsbehörde abgegebenen Erklärungen zufolge übernimmt, zivilrechtlich nicht die erforderliche Verfügungsbefugnis besitzt.
Vgl. OVG NW, Urteil vom 22.9.1987 – 7 A 33/82 – a.a.O.; VGH BW, Urteil vom 13.7.1992 – 8 S 588/92 –, BRS 54 Nr. 62 = NVwZ 1993, 385 = DVBl 1993, 119 = NJW 1993, 678 = DÖV 1993, 257; Urteil vom 18.10.1993 – 8 S 1739/93 –, NVwZ-RR 1994, 473 (474) = DVBl 1994, 821; Urteil vom 27.2.1988 – 5 S 3256/88 –, NJW 1990, 268.
Nach dem Wortlaut des § 78 Abs. 1 Satz 1 BauO NW kann nur der Eigentümer wirksam eine Baulast durch seine Erklärung übernehmen. Eine Beteiligung von einem am Grundstück dinglich Berechtigten (z.B. Grundpfangläubigern) ist – abgesehen vom Fall des Erbbaurechtes – nach Maßgabe von § 78 Abs. 1 Satz 2 BauO NW, nach dem die Eintragung ausdrücklich „unbeschadet der Rechte Dritter” erfolgt, nicht erforderlich.
Vgl. Boeddinghaus/Hahn, BauO NW, § 78 Rn. 49 – 52; Gädtke/Böckenförde/Temme, Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen, 8. Aufl. § 78 Rn. 32 und 35 jeweils mit weiteren Nachweisen.
Ist mithin bei der Bestellung der Baulast auf die Verfügungsbefugnis des Eigentümers abzuheben, so sind aber deren vom Gesetz vorgesehene relative oder absolute Beschränkungen zu beachten, wenn Sinn und Zweck der maßgeblichen Vorschriften eine derartige Berücksichtigung fordern.
Danach war vorliegend die Verfügungsbefugnis der Grundstückseigentümerin wegen der von dem Zwangsversteigerungsbeschluß gemäß §§ 20, 23 ZVG ausgehenden Beschlagnahmewirkung in dem Sinne eingeschränkt, daß die wirksame Übernahme der Baulast das...