Verfahrensgang
VG Aachen (Aktenzeichen 1 K 1447/99) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte steht als beamteter Universitätsprofessor im Dienst des klagenden Landes. Er ist Direktor der Kinderklinik des Universitätsklinikums X. Der Kläger begehrt von dem Beklagten Schadensersatz nach § 84 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG).
Das am 00.00.00 geborene und am 00.00.00 verstorbene Kind M wurde nach seiner Geburt wegen verschiedener Erkrankungen auf die Kinderintensivstation des Universitätsklinikums X verlegt und dort u. a. künstlich beatmet, zum Teil mit reinem Sauerstoff. Am 00.00.00 erfolgte die Verlegung des Kindes auf die Früh- und Neugeborenenstation des Klinikums. Im Dezember 0000, am 00.00.00, am 00.00.00 und am 00.00.00 wurden bei dem Kind augenärztliche Kontrolluntersuchungen zur Früherkennung einer etwaigen retrolentalen Fibroplasie (RLF) durchgeführt. Die Untersuchungen erfolgten durch beratend hinzugezogene Augenärzte anderer Abteilungen. Anlässlich des augenärztlichen Konsiliums vom 00.00.00 vermerkte der untersuchende Augenarzt, bei engen Pupillen sei auch diesmal wieder eine schlechte Beurteilbarkeit gegeben. Was man sehe sei regelrecht, aber man sehe zu wenig. Er empfahl eine Kontrolle in drei Wochen „Therapievorschlag: Kontrolle in 3 Wochen”). Eine weitere augenärztliche Untersuchung des Kindes fand im Universitätsklinikum X bis zu seiner Entlassung nicht statt.
Am 00.00.00 wurde das Kind M zusammen mit seiner Zwillingsschwester O in die Obhut seiner Eltern entlassen. Die näheren Umstände der Entlassung sind zwischen den Beteiligten streitig. Bei der Entlassung wurde den Eltern ein Nahrungsplan übergeben, auf dessen letzter Seite sich u. a. folgender Vermerk befand: „Entwicklungsdiagnostik 7. 6. 10.00 + 11.00 Kinderpoliklinik II. Etage + Überweisungsschein Augen-KUS-Atemmonitorüberwachung”. Ein ähnlicher Vermerk befand sich am Ende eines vorläufigen Entlassungsberichts, den der mit der Weiterbehandlung des Kindes befasste Kinderarzt Dr. med. S am 00.00.00 erhielt. In dem endgültigen Entlassungsbericht, der vom 00.00.00 datiert, wird davon berichtet, dass bei der Entlassung des Kindes eine ambulante Überprüfung des Augenhintergrundes mit den Eltern besprochen worden sei. Ferner sei ein Termin zur Entwicklungsdiagnostik am 00.00.00 mit zusätzlicher Überprüfung des Augenhintergrundes, einer Kopfultraschallkontrolle sowie einer Atemmonitorüberwachung vereinbart worden.
Etwa zwei Monate nach der Entlassung des Kindes aus der vom Beklagten geleiteten Kinderklinik bemerkten die Eltern, dass das Kind auf optische Reize nicht reagierte. Im Rahmen anschließender augenärztlicher Untersuchungen wurden eine Frühgeborenenretinopathie an beiden Augen sowie (vollständige) Blindheit festgestellt.
In der Folgezeit machte das Kind M gegenüber der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) X sowie der (damaligen) Stationsärztin Dr. U, die am 00.00.00 seine Entlassung durchgeführt hatte, einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch gerichtlich geltend. Mit Urteil vom 9. Februar 1994 – 4 O 517/90 – verurteilte das Landgericht (LG) Aachen die RWTH X und die Ärztin Dr. U als Gesamtschuldner zur Zahlung von 158.920,68 DM (8.920,68 DM Schadensersatz, 150.000,00 DM Schmerzensgeld) nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 00.00.00. Die hiergegen gerichtete Berufung der RWTH X wurde mit (rechtskräftigem) Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 28. September 1995 – 5 U 174/94 – zurückgewiesen. Auf die Berufung der Ärztin Dr. U wurde unter teilweiser Änderung des landgerichtlichen Urteils die Klage gegen die Ärztin abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das OLG Köln aus: Nach dem Ergebnis der Beweiserhebungen stehe fest, dass die Blindheit des Kindes M auf eine sogenannte retrolentale Fibroplasie zurückzuführen sei. Dass der Verdacht der RLF nicht rechtzeitig abgeklärt worden sei, gereiche den auf der Früh- und Neugeborenenstation des Universitätsklinikums X tätig gewesenen Kinderärzten, insbesondere der Ärztin Dr. U, als Behandlungsfehler zum Vorwurf. Die auf der Station tätigen Ärzte seien verpflichtet gewesen, den Verdacht der RLF entsprechend den Vorschlägen der augenärztlichen Konsiliumsberichte so frühzeitig wie möglich abklären zu lassen und, weil dies vor der Entlassung des Kindes nicht mehr geschehen sei, dafür Sorge zu tragen, dass die Kontrolle lückenlos an die ambulante ärztliche Nachsorge weitergereicht werde. Die weiterhin bestehende akute Gefährdung des Kindes habe es erfordert, dem Vorschlag des am 00.00.00 abgehaltenen augenärztlichen Konsiliums unbedingt Folge zu leist...