Leitsatz (amtlich)

1. Der Eigentümer einer Eigentumswohnung (Sondereigentum) ist nach § 1011 BGB auch in Ansehung des gemeinschaftlichen Eigentums der Wohnungseigentümergemeinschaft allein zur Geltendmachung öffentlich-rechtlicher nachbarlicher Abwehrrechte befugt, ohne daß es insoweit eines Beschlusses der Eigentümerversammlung bedarf und ohne daß die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 WEG vorliegen müssen a.A. OVG NW, Beschluß vom 28.02.91 – 11 B 2967/90 –, DWW 91, 149 = ZMR 91, 276 = NWVBL 91, 265). Dieses Recht fließt aus dem Miteigentumsanteil und unterliegt nicht der gemeinschaftlichen Verwaltung.

2. Die Festsetzung von Flachdachbauweise in einem Bebauungsplan kann wegen ihrer höhenbegrenzenden Wirkung nachbarschützende Funktion haben (mit Nachweisen).

3. In einem zusammenhängenden Baugebiet, in dem über 100 zweigeschossige Gebäude mit Flachdach vorhanden sind, erscheinen angesichts der Homogenität der Bebauung drei am Rande der Bebauung liegende zweigeschossige Häuser mit Satteldach hinsichtlich der Höhe der Bebauung als Fremdkörper, die die Eigenart der näheren Umgebung bezüglich der Höhe der Gebäude nicht zu prägen vermögen.

4. Rücksichtslosigkeit eines wegen seiner Höhe auf das Nachbarhaus beengend wirkenden Gebäudes, das die vom Landesrecht zwischen den Gebäuden geforderten Abstände unterschreitet.

5. Eine Teilaufhebung einer wegen der Unteilbarkeit der Baumaßnahme unteilbaren Baugenehmigung ist nicht möglich. Wird vom Verwaltungsgericht eine solche Baugenehmigung nur bezüglich einzelner Teile aufgehoben, so ist in Wirklichkeit die ganze Baugenehmigung aufgehoben.

 

Normenkette

BGB § 1011; WEG § 13 Abs. 2, § 21 Abs. 2; BauGB § 34 Abs. 1; BBauG § 30 Abs. 1; BauO NW § 6 Abs. 1; BauO NW 70 § 7 Abs. 3 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

VG Köln (Aktenzeichen 2 K 827/88)

 

Tenor

Die Klägerin ist Eigentümerin der im Erd- und Untergeschoß des Hauses F.-Straße 17 in K. gelegenen Wohnung. Die Beigeladenen beabsichtigten die bauliche Erweiterung des benachbarten, bisher mit einem Flachdach vesehenen Hauses F.-Straße 23 durch Aufstockung um ein Dachgeschoß mit Satteldach, Erweiterung des Gebäudes in Richtung auf das Haus F.-Straße 17 und Anbau einer Garage. Die beiden betroffenen Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 49 der ehemaligen Gemeinde B., der für ein größeres Areal, in dem die betroffenen Grundstücke liegen, ausschließlich reines Wohngebiet mit zweigeschossiger Bebauung in geschlossener Bauweise und einer Dachneigung von 0° bis 5° festsetzt.

Das VG hat der Klage gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

 

Gründe

Die Klage ist zulässig. Dies gilt nicht nur insoweit, als die Klägerin geltend macht, in ihrem Sondereigentum durch die streitige Baugenehmigung beeinträchtigt zu sein, sondern auch insoweit, als durch die streitige Baugenehmigung das Gemeinschaftseigentum an dem Grundstück F.-Straße 17 betroffen ist. Als Miteigentümerin an diesem Gemeinschaftseigentum ist die Klägerin gemäß § 1011 BGB berechtigt, die Ansprüche aus dem Eigentum Dritten gegenüber in Ansehung der ganzen Sache geltend zu machen. Diese Regelung für die Miteigentümer gilt nach einhelliger zivilrechtlicher Auffassung auch für den Wohnungseigentümer als Miteigentümer am gemeinschaftlichen Eigentum.

Vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 50 Aufl., § 16 WEG Rdnr. 2; Röll in Münchener Kommentar zum BGB, 2. Aufl., § 13 WEG Rdnr. 16 mit Verweis auf § 1011 BGB; Soergel-Baur, BGB, Stand: 1978, § 1 WEG, Rdnr. 3; RGRK, BGB, 12. Aufl., § 13 WEG, Rdnr. 10; Ehrman-Ganten, BGB, 8. Aufl., § 13 WEG, Rdnr. 1; OVG Berlin, Urteil vom 3.10.1975 – II B 38.74 –, BauR 76, 191.

Soweit demgegenüber der 11. Senat des erkennenden Gerichtes im Beschluß vom 28. Februar 1991 – 11 B 2967/90 – die Auffassung vertreten hat, daß aus dem gemeinschaftlichen Eigentum fließende Nachbarrechte nur unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 WEG vom einzelnen Sondereingentümer geltend gemacht werden können, vermag sich dem der Senat nicht anzuschließen. Diese Entscheidung berücksichtigt nicht, daß das aus § 1011 BGB fließende Abwehrrecht, das für öffentlich-rechtliche Abwehransprüche gleichermaßen gilt,

vgl. OVG Berlin, aaO,

und das sich auf die gesamte im Miteigentum stehende Sache bezieht, nicht der gemeinschaftlichen Verwaltung im Sinne des § 21 WEG unterliegt. Es ist nämlich Ausfluß des Miteigentumsanteils, den der Wohnungseigentümer am gemeinschaftlichen Eigentum hat. Dieser Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum unterfällt jedoch § 13 Abs. 2 WEG. Der für ihn bestehende Eigentumsschutz einschließlich des Anspruches aus § 1011 BGB ist ein eigenes Recht des Miteigentümers aus seinem Anteil am gemeinschaftlichen Eigentum und unterliegt deshalb nicht der gemeinschaftlichen Verwaltung nach § 21 WEG.

Siehe dazu sämtliche vorher aufgeführten Nachweise aus der Literatur.

Die Klage ist auch begründet, da die Baugenehmigung die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Dabei kann dahinstehen, wieweit das Sondereigentum der K...

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