Entscheidungsstichwort (Thema)
Jugendarbeitsschutz bei Opern- und Konzertauftritten
Leitsatz (amtlich)
Die vertraglich vereinbarte regelmäßige Mitwirkung der Kinder eines eingetragenen Chorvereins in einem – auch – nach wirtschaftlichen Grundsätzen geführten Opern- und Konzertbetrieb unterliegt der Genehmigungspflicht nach § 6 JArbSchG.
Tatbestand
Der Kl. ist ein eingetragener Verein; seine Mitglieder, Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 15 Jahren, wirken als Kinderchor in Rundfunk und Fernsehen sowie bei Opernaufführungen und eigenen Konzerten mit. Der Vorsitzende des Kl., zugleich Chordirektor, hat einen Vertrag mit einem Opernhaus geschlossen, nach dem die Chorkinder exklusiv in allen einschlägigen Opernaufführungen auftreten. Der Bekl., die Gewerbeaufsicht, befürchtet eine Überforderung der Kinder und untersagte dem Kl. deren Mitwirkung als Chor- oder Solosänger bei Veranstaltungen, sofern nicht jeweils eine Ausnahmebewilligung nach § 6 JArbSchG vorliege. Hiergegen wandte der Kl. ein, die öffentlichen Auftritte der Kinder, die hierfür kein Entgelt erhielten, seien als Freizeitbeschäftigung und nicht als Arbeit im Sinne des JArbSchG zu bewerten. Das VG gab der Klage statt. Die Berufung des Bekl. hiergegen hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Bekl. ist begründet.
Rechtsgrundlage für die Untersagung der Mitwirkung der Chorkinder an den im einzelnen bezeichneten Veranstaltungen, sofern keine Ausnahmebewilligung vorliegt, ist § 14 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 JArbSchG. Danach kann der Bekl. die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Diese besteht darin, daß der Kl. entgegen dem gesetzlichen Verbot des § 5 Abs. 1 JArbSchG Kinder bei öffentlichen Auftritten des Chores beschäftigt hat und für sich in Anspruch nimmt, Kinder auch weiterhin ohne Ausnahmebewilligung auftreten lassen zu dürfen, weil das Verbot des § 5 Abs. 1 JArbSchG für das Tätigwerden seiner Mitglieder nicht gelte. Zwar stand im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung noch nicht fest, ob es zu weiteren derartigen Auftritten kommen werde; eine abstrakte, nach den Erklärungen des Kl. nicht von der Hand zu weisende Gefahr reicht jedoch insoweit aus. Bei dieser Sachlage hat der Bekl. zu Recht zu dem Mittel der gesetzeskonkretisierenden Verbotsverfügung gegriffen, durch die das in § 5 Abs. 1 JArbSchG enthaltene unmittelbar geltende Verbot der Beschäftigung von Kindern und der in § 5 Abs. 5 i.V.m. § 6 JArbSchG vorgesehene Erlaubnisvorbehalt für den Einzelfall konkretisiert, dem Kl. als einschlägig vorgehalten und mit Zwangsmitteln vollziehbar gemacht werden.
Die Gesetzeskonkretisierung in der angefochtenen Verfügung geht von zutreffenden Voraussetzungen aus. Die Mitwirkung von Kindern – als solche sieht das Gesetz diejenigen an, die noch nicht 14 Jahre alt sind (vgl. § 2 Abs. 1 JArbSchG) – an den Proben und öffentlichen Auftritten des Kl. fällt nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung unter die Verbotsvorschrift des § 5 Abs. 1 JArbSchG, sofern eine Ausnahmebewilligung nach § 6 Abs. 1 JArbSchG nicht erteilt ist. Im Hinblick auf die Ausgestaltung der gesetzlichen Regelung in Form von grundsätzlichem Verbot und ausnahmsweiser Bewilligung wirkt es sich nicht unterschiedlich aus, ob der Vorbehalt „sofern” zeitlich oder konditional verstanden wird, so daß die an das Wort „sofern” anknüpfenden Zweifel des VG an der hinreichenden Bestimmtheit der Ordnungsverfügung nicht berechtigt sind.
§ 5 Abs. 1 JArbSchG findet im vorliegenden Falle Anwendung, weil der Kl. Personen, die noch nicht 18 Jahre alt sind, mit sonstigen Dienstleistungen beschäftigt, die der Arbeitsleistung von Arbeitnehmern oder Heimarbeiten ähnlich sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 JArbSchG).
Zunächst ist eine „Beschäftigung” der Chorkinder durch den Kl. zu bejahen. Das VG hat zur Auslegung dieses Begriffs zutreffend auf die Absicht des Gesetzgebers hingewiesen, durch das JArbSchG Kinder und Jugendliche möglichst lückenlos vor Überforderung und Überanstrenung zu schützen (vgl. Begr. zu § 1 des Entwurfs, BT-Drs. 7/2305, S. 25 ff), und dementsprechend den Begriff zu Recht weit gefaßt. Demgemäß ist darunter die Tätigkeit dessen zu verstehen, der einen anderen zu einem Tun heranzieht, also die tatsächliche Inanspruchnahme einer Person durch eine andere ohne Rücksicht auf die Rechtsform (vgl. Zmarzlik, JArbSchG, Komm., 3. Aufl., 1985, § 1 Rdn. 7).
Die Stellung der Chorkinder zu dem Kl. ist durch eine Reihe nebeneinander bestehender unterschiedlicher Beziehungen charakterisiert. Einerseits sind die Kinder nach § 2 Abs. 1 der Vereinssatzung dessen Mitglieder und tragen als solche aktiv den Verein mit. Daneben dient ihnen der Verein sie benutzen die dem Verein zur Verfügung stehenden personellen und sächlichen Mittel, um sich im Chorgesang auszubilden und zu betätigen. Dem entspricht etwa auch der Aspekt, daß der Kl. den Chorleiter „beschäftigt”. Andererseits geh...