Entscheidungsstichwort (Thema)
Akteneinsicht. Insolvenzverwalter. Anfechtung. Insolvenzanfechtung. Sozialversicherungsbeitrag. Insolvenzverfahren. Sozialversicherungsträger. Krankenkassse. Informationszugang. Informationsfreiheit. Beibringungsgrundsatz. Aktenöffentlichkeit. Ausforschungsverbot. Gläubigergleichbehandlung. Gerichtsverfahren. anhängiges Gerichtsverfahren. Amtsgeheimnis. Sozialgeheimnis. Sozialdaten. wirtschaftliche Interessen. Betriebsgeheimnis. Geschäftsgeheimnis. personenbezogene Daten
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch des Insolvenzverwalters nach § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG auf Informationszugang besteht gegenüber einem Sozialversicherungsträger auch dann, wenn die Informationserlangung der Vorbereitung einer Insolvenzanfechtung dienen soll.
Normenkette
LIFG § 2 Abs. 1, § 3 Nr. 1, § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 7 Abs. 4, § 9 Nrn. 2, 4, 6, §§ 11-12; InsO §§ 97, 101; BGB § 242; SGB I § 35; SGB X § 67
Verfahrensgang
VG Neustadt a.d. Weinstraße (Urteil vom 17.09.2009; Aktenzeichen 4 K 639/09.NW) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2009 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, eine Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Einsicht in von der Beklagten geführte Akten.
Mit Beschluss vom 16. Mai 2008 eröffnete das Amtsgericht M… das Insolvenzverfahren über das Vermögen von Herrn R… (im Folgenden: Insolvenzschuldner) und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Dieser machte im Wege der Insolvenzanfechtung gegenüber der Beklagten, einer in Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts geführten Krankenkasse, wegen der Zahlung rückständiger Sozialversicherungsbeiträge durch den Insolvenzschuldner in Höhe von 2.228,50 € vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Rückgewähranspruch nach §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1, 143 Abs. 1 der Insolvenzordnung – InsO – geltend. Nachdem die Beklagte den Anspruch mit der Begründung zurückgewiesen hatte, der Kläger müsse zur Darlegung des Anfechtungsanspruchs nähere Angaben zu den Voraussetzungen des § 129 Abs. 1 InsO machen, verlangte der Kläger von der Beklagten die Vorlage der bei ihr geführten Akte des Insolvenzschuldners zum Zwecke der Akteneinsicht.
Mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 lehnte die Beklagte die Aktenvorlage ab. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen darauf verwiesen, er habe gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe der bezüglich des Insolvenzschuldners geführten Akte zum Zwecke der Akteneinsicht nach Maßgabe der Vorschriften des (rheinland-pfälzischen) Landesgesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen (Landesinformationsfreiheitsgesetz – LIFG –).
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10. Dezember 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2009 zu verpflichten, die Akte Betriebsnummer … betreffend den Insolvenzschuldner R… zum Zwecke der Akteneinsicht an ihn herauszugeben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach § 4 Abs. 1 LIFG werde im vorliegenden Fall durch vorrangige Regelungen und Grundsätze der Insolvenz- und der Zivilprozessordnung verdrängt.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, der Kläger habe auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 1 LIFG einen Anspruch auf den begehrten Zugang zu den Akten der Beklagten. Dieser Informationsanspruch werde auch nicht nach § 4 Abs. 2 LIFG durch spezielle insolvenzrechtliche oder zivilrechtliche Auskunftsrechte verdrängt. Des Weiteren sei das Auskunftsverlangen des Klägers nicht missbräuchlich i.S.d. § 7 Abs. 4 LIFG. Die in § 9 LIFG aufgezählten Ausnahmetatbestände seien eng auszulegen und vorliegend nicht einschlägig.
Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt die Beklagte weiter vor, der Insolvenzverwalter müsse sich nach dem in der Insolvenz- und der Zivilprozessordnung geltenden Beibringungsgrundsatz seine Informationen zur Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens selbst beschaffen. Die Insolvenzordnung gebe ihm hierfür nur die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Insolvenzschuldners nach den §§ 20, 97 InsO an die Hand. Die Insolvenzordnung werde von dem Grundsatz der absoluten Gläubigergleichbehandlung beherrscht, so dass es keinerlei Vorrechte der Sozialversicherungsträger gebe. Diese müssten sich daher im Gegenzug wie jede andere Prozesspartei in den von den Insolvenzverwaltern zur Masseanreicherung geführten Anfechtungsprozessen auf die Verfahrensregelungen d...