Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Erneut: Gültiger "Zitterbeschluss" über pauschalierten Schadenersatz bei Wohngeldverzug
Saldenvortrag (Fehlbetrag) aus vorausgegangenem Geschäftsjahr kann in die Abrechnung des Folge-Geschäftsjahres mit aufgenommen werden
Normenkette
§ 16 Abs. 2 WEG, § 28 Abs. 3 WEG
Kommentar
1. Grundsätzlich bedarf die pauschalierte Festlegung eines über den gesetzlichen Mindestschaden ( § 288 Abs. 1, Satz 1 BGB) hinausgehenden Schadenersatzes im Wohngeldzahlungs-Verzugsfalle einer Vereinbarung aller Eigentümer. Ein diese Vereinbarung ersetzender, nicht angefochtener Mehrheitsbeschluss (sog. Zitterbeschluss) ist jedoch wirksam.
Vorliegend ging es um einen bestandskräftigen Beschluss im Falle eines Wohngeldverzugs, Verzugszinsen in Höhe von 8% über dem jeweiligen Bundesbankdiskontsatz, mindestens jedoch 12% p.a. an die Gemeinschaft zahlen zu müssen. Auch ein solcher Beschluss hält sich noch im Rahmen der Zuständigkeit (-kompetenz) einer Eigentümerversammlung. Eine solche pauschalierte Verzugszinsregelung hat keinen Strafcharakter, sondern stellt einen pauschalierten Schadenersatz dar. Der Beschluss ist wirksam und bindend ( § 23 Abs. 4 WEG), obwohl er mit der Pauschalierung eines über den gesetzlichen Mindestschaden hinausgehenden Verzugsschaden der Gemeinschaft ( § 288 Abs. 2 BGB, § 286 Abs. 1 BGB) eine Angelegenheit zum Gegenstand hat, welche die Eigentümer grundsätzlich nur durch eine Vereinbarung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG regeln, über die sie aber nicht mit Stimmenmehrheit beschließen können (ebenso OLG Düsseldorf, ZMR 2000, 397).
Der Senat sieht trotz der derzeitigen Diskussion über die Wirksamkeit vereinbarungsersetzender Mehrheitsbeschlüsse (z.B. Wenzel, NZM 2000, 257) für Fälle der vorliegenden Art, die den fließenden möglichen Grenzbereich der Beschlusskompetenz betreffen, keine Veranlassung, von der bisherigen gefestigten Rechtsprechung der Oberlandesgerichte abzuweichen.
2. Ein Wohngeldfehlbetrag ( Saldenvortrag ) aus dem Vorjahr kann wirksam in die Beschlussfassung über die Abrechnung des nachfolgenden Jahres einbezogen werden mit der Folge, dass der - unangefochten gebliebene - Eigentümerbeschluss Grundlage eines Zahlungsanspruchs sein kann. Zwar darf grundsätzlich das Abrechnungsergebnis eines Vorjahres nicht Gegenstand der Abrechnung eines nachfolgenden Jahres sein, weil es sich hierbei weder um Einnahmen noch um Ausgaben im abzurechnenden Wirtschaftsjahr handelt, die gem. § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WEG allein in die Jahresabrechnung einzustellen sind (h.M.). Dennoch kann ein Fehlbetrag aus einem Vorjahr in die Beschlussfassung einbezogen werden und damit der Eigentümerbeschluss Grundlage für einen Zahlungsanspruch sein, sofern er nicht auf Anfechtung hin für ungültig erklärt wird (vgl. auch Senat, ZMR 95, 493 und BayObLG, NZM 2000, 52 m.w.N.).
Ob eine solche Einbeziehung gewollt ist, ist durch Auslegung des Beschlusses über die Jahresabrechnung zu ermitteln.
Link zur Entscheidung
( OLG Köln, Beschluss vom 07.06.2000, 16 Wx 39/00)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer
Anmerkung:
Wird ein Saldenvortrag aus einer bereits beschlussgenehmigten Vorjahres-Einzelabrechnung, der i.Ü. eigentlich bereits ausgeglichen sein müsste, tatsächlich und ohne Not mit in die neuerliche Abrechnungsbeschlussfassung einbezogen, besteht auch erneutes Anfechtungsrisiko hinsichtlich solcher, an sich bereits bestandskräftiger Vorjahresergebnisse. Die Ausweisung solcher "Altsalden" und evtl. erneute Saldierung mit den aktuellen, zu genehmigenden Einzelabrechnungsergebnissen widerspricht m.E. auch der schlichten Einnahmen- und Ausgaben-Überschussrechnung im Sinne derzeit herrschender, richterrechtlich geprägten Meinung zu den Formgeboten der WE-Abrechnung nach § 28 WEG. Empfehlenswert ist deshalb m.E. zur Vermeidung unnötiger Anfechtungsrisiken insoweit allein die Übermittlung einer Kontenstands-Übersicht an den betreffenden Eigentümer, ohne solche "Verrechnungen" erneut zur Beschlussfassung zu stellen.