Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 15 WEG, § 22 Abs. 1 WEG
Kommentar
Eine Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung, dass "für alle Sondernutzungsrechte das Gleiche entsprechend gelte, wie wenn es sich um Sondereigentum handeln würde", lässt das Zustimmungserfordernis des § 22 Abs. 1 WEGunberührt.
Das BayObLG bezieht sich insoweit auf die bisherige Rechtsprechung zu ähnlich gelagerten Fällen mit zum Teil wörtlich übereinstimmender Regelung in der Gemeinschaftsordnung (vgl. z. B. Entscheidung v. 17. 12. 1987, NJW-RR 1988, 591 zum Bau eines Gartenhäuschens auf Sondernutzungsgartenfläche oder WuM 1987, 327 zu einer Balkonverglasung oder ZMR 85, 420 zu einer Markisenanbringung).
Auch eine Pergola auf einer Erdgeschossterrassenfläche beeinträchtigt nachteilig andere Eigentümer im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG i. V. m. § 14 Nr. 1 WEG. Es handelt sich hier nicht nur um eine ganz unerhebliche und damit duldungspflichtige Beeinträchtigung. Ein Nachteil kann sich auch aus einer architektonischen Veränderung des äußeren Gesamteindrucks der Wohnanlage ergeben. Als Nachteil ist auch eine Beeinträchtigung des ästhetischen Gesamteindrucks (Störung der Harmonie) anzusehen.
Da die Vorinstanzen keine Feststellungen zur Benachteiligungswirkung getroffen haben, entschied der Senat aufgrund vorliegender Lichtbilder und Skizzen diese Wertungsfrage selbst und stellte eine solche Beeinträchtigung fest (Störung des Ausblicks vom Balkon der Antragstellerwohnung im 1. OG).
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 02.10.1989, BReg 2 Z 90/89= WM 2/1990, 91)
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung
Anmerkung:
Berücksichtigt man die vorliegend getroffene Vereinbarung, so hätte eine Auslegung einer solchen Regelung nach objektiven Auslegungskriterien auch zu einem anderen Ergebnis des Streits führen können (wie auch von den beiden Münchner Vorinstanzen angenommen, die das Antragsbegehren des Antragstellers auf Beseitigung der Pergola bzw. Bauunterlassungsverpflichtung zurückgewiesen haben; i.Ü. ebenso die schriftlich geäußerte Rechtsauffassung des Urkundsnotars). Dem Sinne nach sollten hier doch Sondernutzungsrechte dem Sondereigentum nach Text, Sinn und Zweck der Vereinbarung gleichgestellt werden (im Sinne einer beliebigen Nutzung und Gestaltung der zugeordneten Gartenanteile). Grenze müsste allein das öffentliche Baurecht oder zivilrechtlich ein über das bei geordnetem Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil sein. Solche Nachteile haben jedenfalls die Vorinstanzen in Anbetracht dieser Vereinbarung nicht erkannt. Folgt man der jetzigen Meinung des Senats, ist die unzweifelhaft bewusst weitgefasste Vereinbarung völlig ausgehöhlt und hat eigentlich keinerlei Bedeutung.
Notare, die solche und ähnliche Vereinbarungen häufig beurkunden, sind in Anbetracht dieser strengen Rechtsprechung des BayObLG nunmehr gehalten, Formulierungen mit ähnlich gewolltem Zweck näher und deutlicher zu präzisieren, ggf. unter Aufzählung erlaubter baulicher Veränderungsmaßnahmen ganz konkreten Inhalts. Der allgemeine Hinweis eines Handelndürfens "wie ein Sondereigentümer" oder "wie in einem Sondereigentum" (gemeint war sicher: wie innerhalb eines Sondereigentums, was grundsätzlich keinerlei Zustimmungsverpflichtungen bedarf) reicht also nicht mehr aus, wenn man hier weitergehende Rechte (im Sinne baulicher Veränderungen) für sondernutzungsberechtigte Eigentümer begründen will.
Da die Tatsachen-Vorinstanzen in Konsequenz ihrer über Auslegung getroffenen Entscheidungen keinen Augenschein zur Frage der optischen Nachteilswirkung vornahmen, hätte dies m. E. den Senat bei anderweitiger Auslegungsmeinung veranlassen müssen, den Streit zur Klärung dieser Nachteilsfragen an die Tatsacheninstanz zurückzuverweisen. Da die Pergola noch nicht erstellt war, gab es auch keine Fotos über die "errichtete" Pergola; allein Skizzen hätten den Senat m. E. hier nicht zu eigenen Wertungen und Feststellungen und unbesehen zur Bejahung einer Beeinträchtigungswirkung mit gewissem Erheblichkeitsgrad veranlassen dürfen.