Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Zustimmungsbedürftigkeit eines Pergolabaus auf Sondernutzungsterrasse

 

Verfahrensgang

LG München I (Entscheidung vom 10.07.1989; Aktenzeichen 1 T 23372/88)

AG München (Entscheidung vom 07.11.1988; Aktenzeichen UR II 497/88)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 10. Juli 1989 mit Ausnahme der Geschäftswertfestsetzung aufgehoben und der Beschluß des Amtsgerichts München vom 7. November 1988 dahin abgeändert, daß

  1. dem Antragsgegner zu 1 untersagt wird, in dem Garten seiner Eigentumswohnung eine Pergola zu errichten und
  2. der Antragsgegner zu 1 verpflichtet ist, die bereits montierten Pfosten, die Verbindungsbalken und Beschläge sowie das angeschraubte Holzgitter abzubauen und zu entfernen.

II. Die Gerichtskosten des Verfahrens vor dem Amtsgericht tragen zur Hälfte der Antragsgegner zu 1 und zur anderen Hälfte die Antragsgegner zu 2 als Gesamtschuldner. Die Gerichtskosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner zu 1.

Außergerichtliche Kosten sind in keinem Rechtszug zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 10 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Der Antragstellerin gehört eine Wohnung im Obergeschoß, dem Antragsgegner zu 1 eine Wohnung im Erdgeschoß neben der unter der Wohnung der Antragstellerin liegenden Erdgeschoßwohnung.

Das Wohnungseigentum wurde durch Vertrag der Miteigentümer vom 30.6.1987 begründet. In der Gemeinschaftsordnung (GO) ist dem Antragsgegner zu 1 eine vor seiner Wohnung liegende unbebaute Grundstücksfläche zum ausschließlichen Gebrauch (Sondernutzungsrecht) zugewiesen. Die Aufteilungspläne weisen eine Bebauung dieser Fläche nicht aus. § 1 Buchst. g GO bestimmt:

Für alle Sondernutzungsrechte gilt, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften etwas anderes vorsehen, das gleiche entsprechend, wie wenn es sich um Sondereigentum handeln würde.

Der Antragsgegner zu 1 möchte auf der ihm zugewiesenen Sondernutzungsfläche eine Pergola errichten; diese ist bereits teilweise fertiggestellt. Die Errichtung wurde durch Eigentümerbeschluß vom 10.8.1988 genehmigt.

Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht beantragt, den Eigentümerbeschluß vom 10.8.1988 für ungültig zu erklären und dem Antragsgegner zu 1 die Errichtung der Pergola zu untersagen. Das Amtsgericht hat am 7.11.1988 den Eigentümerbeschluß für ungültig erklärt und den Unterlassungsantrag abgewiesen. Durch Beschluß vom 10.7.1989 hat das Landgericht die Beschwerde der Antragstellerin, die ihren Unterlassungsantrag auf die Beseitigung der bereits vorgenommenen Baumaßnahmen erweitert hatte, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Pergola stelle eine bauliche Veränderung dar. Gemäß § 1 Buchst. g GO sei das Erfordernis der an sich notwendigen Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer jedoch wirksam abbedungen. Ohne Bedeutung sei daher, daß das Fassadenbild durch die Pergola verändert werde.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Antragsgegner zu 1 ist gemäß § 14 Nr. 1, § 15 Abs. 3 WEG, § 1004 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB verpflichtet, die Errichtung der Pergola zu unterlassen und die bereits vorgenommenen baulichen Veränderungen wieder zu beseitigen.

a) Die Grundstücksfläche vor der Wohnung des Antragsgegners zu 1, die diesem gemäß § 15 Abs. 1 WEG zur Sondernutzung zugewiesen ist, steht im gemeinschaftlichen Eigentum. Die Errichtung der Pergola auf dieser Fläche stellt sich als ein auf Dauer vorgesehener Eingriff in das gemeinschaftliche Eigentum und damit als bauliche Veränderung im Sinn des § 22 Abs. 1 WEG dar. Sie kann grundsätzlich nicht ohne Mitwirkung aller Wohnungseigentümer vorgenommen werden, weil sie nicht der erstmaligen Herstellung eines nach den Plänen und der Baubeschreibung vorgesehenen oder sonst ordnungsmäßigen Zustands dient und damit über eine ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgeht (§ 22 Abs. 1 Satz 1 WEG; BayObLG NJW-RR 1986, 954/955; OLG Hamm OLGZ 1982, 260/261). Der insoweit maßgebende Vertrag der Miteigentümer über die Begründung des Wohnungseigentums sieht die Errichtung der Pergola nicht vor; dies gilt insbesondere für die dem Vertrag beigefügten Aufteilungspläne.

b) Das Zustimmungserfordernis des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG ist auch nicht durch § 1 Buchst. g GO wirksam abbedungen worden. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Gemeinschaftsordnung selbst auslegen, weil sie als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch eingetragen ist und für ihre Auslegung die Grundsätze gelten, nach denen Grundbucheintragungen auszulegen sind (BGHZ 92, 18/21; BayObLGZ 1982, 1/4). Bei der Auslegung ist nicht auf den willen des Verfassers der Gemeinschaftsordnung abzustellen (BayObLGZ 1983, 73/78), sondern allein auf den Wortlaut, wie er...

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