Der Erblasser kann dem Abkömmling, den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling
- dem Erblasser,
- dem Ehegatten des Erblassers,
- einem anderen Abkömmling oder
- einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person.
nach dem Leben trachtet.
Heute sind neben der klassischen Kleinfamilie, in der Ehegatten mit ihren gemeinsamen Kindern zusammenleben, vielfältige andere Formen des Zusammenlebens anzutreffen (Patchworkfamilien, nicht eheliche Lebensgemeinschaften, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit oder ohne Kinder). Durch die Regelungen werden auch die Personen geschützt, die in einer solchen – inzwischen gesellschaftlich akzeptieren – alternativen Familienform zusammen leben.
Aus den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf ergibt sich, dass allerdings nicht jeder Angriff auf das Leben eines Verwandten die Entziehung des Pflichtteils rechtfertigen soll (wobei dann unter Umständen § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB zum Tragen kommt). Geschützt werden sollen vielmehr nur die Personen, die mit dem Erblasser in einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft zusammen leben oder auf andere Weise mit ihm eng verbunden sind. Der Gesetzentwurf nennt hier ausdrücklich die Stief- oder Pflegekinder.
Daher sind unter der in die Gruppe der "ähnlich nahe stehenden Personen" nur diejenigen einzubeziehen, die im Verhältnis zum Erblasser eine einem Ehegatten oder Abkömmling ähnliche Position haben. Hierzu gehören:
- nicht ehelicher Lebenspartner,
- Stiefkinder,
- Pflegekinder,
- Kinder, Stiefkinder und Pflegekinder des nicht ehelichen Lebenspartners.
Auf eine Zugehörigkeit zum Haushalt des Erblassers kommt es nicht an.
Richtet sich der Angriff also gegen ein Kind des Ehepartners des Erblassers, das im Haushalt seines anderen leiblichen Elternteils lebt, rechtfertigt dieser Angriff die Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
Umgekehrt begründet die bloße Zugehörigkeit zum Haushalt des Erblassers ebenso wenig wie ein sonstiges Verwandtschaftsverhältnis nicht den Entziehungsgrund des § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
Wenn der Abkömmling des Erblassers, der im Haushalt des Erblassers mitlebenden Mutter der nicht ehelichen Lebensgefährtin nach dem Leben trachtet, kann die Entziehung des Pflichtteils nicht auf § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB gestützt werden. In Betracht kommt aber möglicherweise eine Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB (dazu unten).
Diese Unterscheidung rechtfertigt sich, weil die Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB entsprechend der verfassungsgerichtlichen Vorgaben (s. o.) nur die Familie im engsten Sinne und damit die Lebenspartner – ob verheiratet oder nicht – und Kinder oder diesen gleichgestellte Personen umfasst.