Völlig neu eingeführt wurde der Tatbestand der Pflichtteilsentziehung wegen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe. Danach kann der Pflichtteil unter folgenden Voraussetzungen entzogen werden:
- Der Pflichtteilsberechtigte ist wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt oder
- die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt ist wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet worden.
- Und es muss in beiden Fallvarianten dem Erblasser wegen dieses Tatbestands unzumutbar sein, den Abkömmling am Nachlass teilhaben zu lassen.
Anders als nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB muss sich dieses Fehlverhalten nicht gegen den Erblasser oder eine sonstige in § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB genannte Person richten. Korrektiv ist hier der Umstand, dass es dem Erblasser wegen der Tat unzumutbar sein muss, den Abkömmling am Nachlass teilhaben zu lassen.
Diese Alternative soll gleichzeitig § 2333 Nr. 5 a. F. BGB ersetzen. Die durch § 2333 Nr. 5 a. F. BGB geschützte "Familienehre" ist weder klar definierbar noch stellt sie eine zeitgemäße Voraussetzung für die Entziehung des Pflichtteils dar.
Eine Alternative, die eine Pflichtteilsentziehung aufgrund einer Generalklausel möglich gemacht hätte, wäre mit den Vorgaben des BVerfG nicht vereinbar.
Straftat des Pflichtteilsberechtigten
Der Pflichtteilsberechtigte muss
- eine Straftat vorsätzlich begangen haben und
- wegen dieser Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteil worden sein oder
- werden.
Das Vorliegen einer Straftat alleine genügt nicht. Es ist vielmehr erforderlich, dass es zu einer rechtskräftigen Verurteilung des Pflichtteilsberechtigten gekommen ist oder nach dem Tod des Erblassers kommt. Der Gesetzgeber hat sich für die Anknüpfung an eine Verurteilung entschieden, um für alle Beteiligten eine möglichst hohe Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Anders als § 2333 Nr. 2 a. F. BGB, der unabhängig von einer Verurteilung die Begehung eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens genügen ließ, ist für § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB eine rechtskräftige Verurteilung mit einem nicht unerheblichen Umfang (mindestens 1 Jahr Freiheitsstrafe) erforderlich. Bei § 2333 Nr. 2 a. F. BGB ist aber der Kreis der Personen, gegen die sich das Verbrechen oder das schwere vorsätzliche Vergehen richtet, auf den Erblasser und sein unmittelbares Umfeld i. S. d. § 2333 Nr. 1 a. F. BGB beschränkt. Bei § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB dagegen ist der Kreis der Opfer beliebig. Einschränkungen erfährt der Tatbestand durch den Umstand, dass es für den Erblasser unzumutbar sein muss, den Pflichtteilsberechtigten trotz seiner Straftat am Nachlass teilhaben zu lassen (siehe hierzu unten).
Der Sohn des Erblassers begeht eine schwere Körperverletzung an der Mutter der Lebensgefährtin des Erblassers und wird wegen dieser Tat zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt.
§ 2333 Nr. 4 BGB differenziert nicht hinsichtlich der Person, gegen die sich das Verbrechen gerichtet hat, das zu der Verurteilung geführt hat. Daher kommt eine Pflichtteilsentziehung in Betracht.
Weitere Voraussetzung ist allerdings, dass die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass des Erblassers wegen der Tat für den Erblasser unzumutbar sein muss.
Die mit der Erbrechtsreform geänderte Vorschrift versucht die Problematik zu umgehen, die sich aus dem Verhältnis der gewandelten Wertvorstellungen zu § 2333 Nr. 5 a. F. BGB – in den mehr als 100 Jahren, die seit Einführung dieser Vorschrift vergangen sind – ergeben hat. Sie knüpft dazu an der Entscheidung des Gesetzgebers an, ob ein bestimmtes Verhalten jeweils als strafbar angesehen wird. Diese Wertung schlägt damit auf das Erbrecht unmittelbar durch. Eine eigene Bewertung bestimmter Verhaltensweisen unter den jeweils geltenden sittlichen Kriterien ist damit überflüssig.
Durch das Strafmaß, das die Grundlage für die Entziehung des Pflichtteils ist, wird deutlich, dass es sich um Straftaten handeln muss, die von erheblichem Gewicht sind und die deshalb ein besonders schweres, sozialwidriges Verhalten darstellen.
Es wurde bei der Reform bewusst darauf verzichtet, an bestimmte Straftaten anzuknüpfen. Um aber dem Umstand gerecht zu werden, dass Straftaten, auch dann wenn sie zu einer vergleichbaren Bestrafung führen, ethisch-moralisch unterschiedlich schwer wiegen (zum Beispiel werden im Allgemeinen Steuervergehen als weniger schwerwiegend empfunden als Sexualverbrechen), enthält § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB ein Korrektiv im subjektiven Bereich. Dem Erblasser muss es nämlich wegen dieser Straftat unzumutbar sein, den Abkömmling am Nachlass teilhaben zu lassen (siehe unten).
Rechtskraft der Verurteilung
Der Abkömmling muss wegen der Straftat rechtskräftig verurteilt worden sein oder werden. Dies bedeutet, dass auch eine rechtskräftige Verurteilung, die erst nach der Entziehung des Pflichttei...