Leitsatz
Der fakultative Aufsichtsrat einer GmbH, dem die Zustimmung zu bestimmten Geschäften der Geschäftsführung obliegt, verletzt seine zur Haftung führenden organschaftlichen Pflichten nicht erst dann, wenn er die Geschäftsführung an von seiner Zustimmung nicht gedeckten Zahlungen nicht hindert, sondern bereits dann, wenn er ohne gebotene Information und darauf aufbauender Chancen- und Risikoabschätzung seine Zustimmung zu nachteiligen Geschäften erteilt.
Sachverhalt
Der Insolvenzverwalter nimmt die Beklagten wegen der Verletzung von Aufsichtsratspflichten auf Schadensersatz in Anspruch. Aufgabe des Aufsichtsrats der GmbH war laut Gesellschaftsvertrag insbesondere die Überwachung der Geschäftsführung; seiner Zustimmung bedurften nach der Satzung zudem "Rechtsgeschäfte mit einer Verpflichtung von mehr als 100000 DM". Der frühere Geschäftsführer hatte unter Überschreitung ihm zuvor zugebilligter Investitionsgrenzen Darlehen vergeben und zahlreiche Überweisungen von Firmenkonten vorgenommen, teilweise auch auf Konten eines der Familie gehörenden weiteren Unternehmens, über die der Aufsichtsrat zumindest teilweise informiert war. LG und OLG haben die Klage abgewiesen. Die Revision war erfolgreich.
Entscheidung
Zustimmungsvorbehalte, wie sie die Satzung der GmbH vorsah, sind das Instrument vorbeugender Kontrolle des – bei der GmbH gemäß § 51 GmbHG fakultativen – Aufsichtsrats. Er kann so Maßnahmen der Geschäftsleitung, die möglicherweise nicht mehr rückgängig zu machen wären, von vornherein unterbinden. Die Aufsichtsratsmitglieder trifft eine – gegebenenfalls neben die Haftung der geschäftsführenden Organe tretende – Schadensersatzpflicht, wenn sie die Zustimmung zu einem Geschäft erteilen, die sie bei pflichtgemäßem Handeln hätten verweigern müssen.
Ein solcher Fall lag hier vor. Die Beklagten waren verpflichtet, weitere Verfügungen des früheren Geschäftsführers zu verhindern, nachdem ihnen bekannt geworden war, dass dieser unter Überschreitung seiner Kompetenzen Zahlungen von mehr als 350000 DM an die ihm und seiner Familie zuzuordnende X-GmbH geleistet hatte. Schon durch die Missachtung des vorgegebenen Investitionsvolumens und die Überweisungen an die "Familien-GmbH" stand die Vermutung krimineller Handlungen zum Nachteil der GmbH im Raum. Allein wegen dieser Verdachtslage war der Aufsichtsrat verpflichtet, bis zu einer umfassenden Klärung des Sachverhalts die Hingabe weiterer Investitionsmittel – notfalls durch Abberufung des Geschäftsführers – zu unterbinden.
Überdies bestand ein Sorgfaltspflichtverstoß darin, dass der Aufsichtsrat Investitionen in erheblichem Umfang gebilligt hatte, ohne sich über den konkreten Gegenstand des geförderten Unternehmens, seine wirtschaftliche Situation, die von ihm verfolgten Geschäftsziele und das für deren Verwirklichung benötigte Kapital zu informieren.
Schließlich ist den Beklagten vorzuwerfen, Zahlungen gebilligt zu haben, obwohl Rückerstattungsansprüche der GmbH rechtlich und wirtschaftlich gänzlich ungesichert waren. Die Darlehen wurden lediglich mündlich vereinbart, so dass im Streitfall schon beim Nachweis der Forderungen ernste Schwierigkeiten nicht auszuschließen waren. Zum anderen entbehrten die Darlehen jeder üblichen und gebotenen Absicherung.
Diese mehrfachen Säumnisse führen zu einer umfassenden Schadensersatzpflicht der früheren Aufsichtsratsmitglieder.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 11.12.2006, II ZR 243/05