Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Was tun, wenn die tatsächliche Bauausführung in der Abgrenzung zwischen zwei Dachterrassen vom Aufteilungsplan abweicht?
Wann kann ein Anspruch verwirkt sein?
Normenkette
§ 21 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 2 WEG, § 242 BGB
Kommentar
1. Weicht die tatsächliche Bauausführung in der Abgrenzung zwischen zwei Dachterrassen vom Aufteilungsplan ab, so kann der beeinträchtigte Wohnungsinhaber von dem anderen die Mitwirkung bei der Abgrenzung entsprechend dem Aufteilungsplan und die Herausgabe der betroffenen Fläche verlangen ( § 21 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 2 WEG; § 242 BGB).
Grundsätzlich kann jeder Eigentümer von den restlichen Eigentümern die Mitwirkung bei der Herstellung eines erstmaligen ordnungsgemäßen Zustands einer Wohnanlage entsprechend Aufteilungsplan und Bauplänen beanspruchen, wobei sich der Anspruch grundsätzlich gegen die Eigentümer in ihrer Gesamtheit richtet (h. M., BayObLG, NJW-RR 1986, 955; NJW-RR 1994, 276/277). Besteht aber- wie im vorliegenden Fall - nur Streit zwischen zwei benachbarten Wohnungseigentümern über die Größe der von ihnen genutzten Dachterrassen, und werden die übrigen Eigentümer nicht beeinträchtigt, kann der eine Eigentümer den anderen allein auf Zustimmung zur Herstellung des aufteilungsplangemäßen Zustands in Anspruch nehmen.
Dahingestellt bleiben kann, wie sich die Rechtslage sachenrechtlich darstellt, wenn die tatsächliche Bauausführung vom Aufteilungsplan in der Abgrenzung von Sondereigentum zu fremdem Sondereigentum abweicht (vgl. hierzu Palandt/Bassenge, BGB 55. Auflage, § 2 WEG Rn. 411; OLG Düsseldorf, NJW-RR 88, 590; Röll WE 91, 340). Jedenfalls hat im vorliegenden Fall die Antragstellerseite Anspruch darauf, dass ihr entsprechend dem Aufteilungsplan die alleinige Nutzung der vor ihrer Wohnung liegenden Terrassenfläche auf der gesamten Länge ermöglicht wird.
2. Ansprüche können insoweit verwirkt sein, was vorliegend jedoch nicht der Fall ist. Verwirkung setzt voraus, dass seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten (Umstandsmoment), die die verspätete Geltendmachung des Rechts als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen (BGH, NJW-RR 95, 109; BayObLG, WE 84, 180/181). Die Verwirkung ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Gegenstand der Verwirkung können also subjektive Rechte sein. Ob die Antragstellerseite im vorliegenden Fall Kenntnis von der planwidrigen Erstellung und ihrer Rechte hatte, kann offen bleiben, da es darauf nicht ankommt. Beim so genannten Zeitmoment sind nämlich auch Art und Bedeutung eines Anspruches zu berücksichtigen. Danach hat der Zeitablauf im vorliegenden Fall nicht zur Verwirkung geführt; der Antragstellerseite wurde die Nutzung einer nicht unbedeutenden Fläche der Dachterrasse vorenthalten und deshalb auch ein Wohnzimmerfenster mit Milchglasfüllung zugemutet. Auch wenn die Antragstellerseite dies über 20 Jahre hinnahm, konnten die Gegenseite und deren Rechtsvorgänger doch nicht darauf vertrauen, die Antragstellerseite werde keine Änderung (mehr) entsprechend dem Aufteilungsplan verlangen. Diese erweckte nach den Feststellungen des Landgerichts nicht durch positive Handlungen oder Äußerungen ei solches Vertrauen.
3. Keine außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren von DM 6.000,-.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 14.05.1996, 2Z BR 30/96)
Zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung