Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 823 BGB, § 847 BGB
Kommentar
1. Polemisch-kritische Werturteile des Verwalters über einen Eigentümer im Protokoll (hier: "... der Eigentümer verhalte sich rufschädigend für die Gemeinschaft") geben dem Betroffenen keinen Anspruch auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld.
2. Wegen der konkurrierenden Grundrechte der Beteiligten aus Art. 2. Abs. 1 GG (Persönlichkeitsrecht des Verletzten) und Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit des Äußernden) bedarf es einer gesonderten Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Angriffs auf die Ehre; hierzu kommt es maßgeblich darauf an, ob eine ehrverletzende Äußerung Tatsachenbehauptungen zum Gegenstand hat oder Werturteile.
Tatsachenbehauptungen sind dann nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, wenn sie als bewusst unwahr erkannt sind oder wenn bei nicht erweislich wahren Tatsachenbehauptungen eine Abwägung zwischen den Interessen des Äußernden und denen des Betroffenen zu einem Vorrang der Meinungsfreiheit führt, was z.B. dann der Fall ist, wenn ein sachliches Interesse des Äußernden an der Weiterverbreitung der Tatsache besteht.
Werturteile dagegen (also Stellungnahmen eines Äußernden, welche die subjektive Beziehung des Äußernden zum Gegenstand seiner Äußerungen widerspiegeln und auf Tatsachen beruhen können, aber keinesfalls müssen) sind grundsätzlich frei, ohne dass es darauf ankäme, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational ist (vgl. auch Bundesverfassungsgericht, NJW 97, 1439, 1440); auch eine überspitzte und polemische Kritik muss grundsätzlich hingenommen werden, es sei denn, es handelt sich um eine sog. Schmähkritik, etwa im Falle von Formalbeleidigungen.
3. Im vorliegenden Fall war dem Vorbringen des Antragstellers nicht zu entnehmen, dass erfolgte Tatsachenbehauptungen falsch seien; jedenfalls wären die Äußerungen durch sachliche Interessen (Rechtsverteidigung; Unterrichtung der übrigen Mitglieder der Gemeinschaft über Hintergründe der Streitigkeiten mit dem Antragsteller) gedeckt.
4. Schmerzensgeld kann i.Ü. bei Verletzung eines Persönlichkeitsrechts nur dann verlangt werden, wenn der Eingriff ein schwerwiegender ist und Genugtuung durch Unterlassung, Gegendarstellung und Widerruf nach Art der Verletzung auf andere Weise nicht zu erreichen ist (vorliegend verneint). Gegenüber den übrigen Mitgliedern der Gemeinschaft hätte eine Erklärung, die in gleicher Weise zu Protokoll genommen worden wäre, wie die beanstandete, nämlich, dass die früher in der Versammlung geäußerte Kritik in Zukunft unterlassen bzw. nicht mehr aufrecht erhalten oder gar widerrufen werde, in jeder Hinsicht ausgereicht, um dem Antragsteller Genugtuung zu verschaffen. Hier waren i.Ü. sogar mehr als 3 Jahre vergangen, ohne dass der Antragsteller in rechtlicher Hinsicht relevante Bemühungen entfaltet hätte, den Antragsgegner zur Rücknahme bzw. zu Modifikationen seiner Erklärungen zu bewegen.
Link zur Entscheidung
( OLG Köln, Beschluss vom 04.02.2000, 16 W 5/00, NZM 6/2000, 284)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung