Rz. 131
Der Gesellschaftsvertrag kann die Vertretung der Gesellschaft durch den Vorstand regeln. So kann er etwa vorsehen, dass einzelne Vorstandsmitglieder alleinvertretungsberechtigt sind oder bestimmte Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich mit anderen Vorstandsmitgliedern oder Prokuristen die Gesellschaft vertreten. In der Praxis werden des Öfteren Konstellationen gewählt, bei denen der Vorstandsvorsitzende alleinvertretungsberechtigt ist, die übrigen Vorstandsmitglieder jedoch nur gemeinsam mit einem Vorstandsmitglied oder einem Prokuristen. Besteht der Vorstand aus mehreren Mitgliedern und regelt der Gesellschaftsvertrag die Vertretungsverhältnisse nicht explizit, vertritt ein Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem weiteren Vorstandsmitglied oder einem Prokuristen die Gesellschaft. Jeder Vorstand (sowie jeder Prokurist) kann die an die Gesellschaft gerichteten Schreiben oder die ihr gegenüber abgegebenen Willenserklärungen einzeln empfangen.
Rz. 132
Die Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder kann Dritten gegenüber nicht wirksam beschränkt werden. Interne Regelungen, wie etwa in einer Geschäftsordnung des Vorstands, haben Dritten gegenüber keine Wirkung.
Rz. 133
Besondere Regelungen bestehen hinsichtlich der Vertretungsverhältnisse für Verträge zwischen den Vorstandsmitgliedern und der Gesellschaft. Bei einem Vertrag zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied sowie im Rahmen eines Rechtsstreites vertritt der Aufsichtsrat oder bei dessen Fehlen ein durch Beschluss der Gesellschafterversammlung berufener Bevollmächtigter die Gesellschaft (Art. 210 HGG). Diese gesetzlichen Vorgaben sind insbesondere beim Abschluss des Anstellungsvertrags eines bereits bestellten Vorstandsmitglieds zu beachten. Hier begehen viele Gesellschafter in der Praxis den Fehler, in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der Sp. z o.o. diese beim Abschluss der Verträge mit den Vorstandsmitgliedern zu vertreten. Eine derartige Vertretung widerspricht jedoch der gesetzlichen Regelung. Die Gesellschaft ist dann nicht ordnungsgemäß vertreten. Eine Ausnahme bildet eine Ein-Mann-Sp. z o.o., in welcher ihr einziger Gesellschafter gleichzeitig der einzige Vorstand ist. Rechtsgeschäfte zwischen diesem Gesellschafter und der von ihm vertretenen Gesellschaft sind notariell zu beurkunden und der die Urkunde erstellende Notar hat darüber jeweils das Registergericht über das elektronische System zu informieren. Auch von dieser Ausnahme gibt es noch eine weitere Ausnahme: Eine notarielle Beurkundung ist nicht erforderlich, wenn das Rechtsgeschäft über ein dafür im elektronischen System zur Verfügung gestelltes Muster zustande kam.
Rz. 134
Auch nach polnischem Recht ist die Erteilung einer Prokura möglich. Die Prokura ist eine in das Unternehmensregister einzutragende Vollmacht, die zu gerichtlichen und außergerichtlichen Handlungen, welche mit der Führung des Unternehmens verbunden sind, ermächtigt. Auch die Prokura kann Dritten gegenüber nicht wirksam beschränkt werden (Art. 1091 ZGB). Die Erteilung der Prokura bedarf der Zustimmung aller Vorstandsmitglieder und der Schriftform. Sie kann einer Person erteilt werden (Einzelprokura) oder mehreren Personen gemeinschaftlich (Gesamtprokura). Im Falle der Gesamtprokura kann der jeweilige Prokurist entweder gemeinsam mit einem anderen Prokuristen oder mit einem Vorstandsmitglied die Gesellschaft vertreten. Die Prokura ist nicht übertragbar und kann jederzeit durch jedes Vorstandsmitglied einzeln widerrufen werden.
Rz. 135
Der bestellte Prokurist ist zur Eintragung in das Unternehmensregister anzumelden. Die Eintragung der Prokura im Unternehmensregister ist deklaratorisch. Der Prokurist erlangt seine Prokuristenstellung somit bei Aushändigung der schriftlichen Prokura. Soll der Prokurist zur Veräußerung oder Belastung einer Immobilie, zur Veräußerung des Unternehmens oder zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts, mit dem das Unternehmen zur zeitweiligen Nutzung überlassen wird, ermächtigt werden, bedarf es hierzu einer Bevollmächtigung für jedes einzelne Rechtsgeschäft.
Rz. 136
Der Prokurist kann, so wie jedes Vorstandsmitglied, durch Vorlage eines Auszugs aus dem Unternehmensregister seine Vertretungsbefugnis nachweisen. Daneben kann er auch durch Vorlage der schriftlichen Prokura, welche ihm der Vorstand erteilt hat, den Nachweis seiner Prokuristenstellung erbringen.
Rz. 137
Selbstverständlich ist auch eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung Dritter zur Vertretung einer Sp. z o.o. rechtlich möglich. Die Erteilung einer Vollmacht bedarf nach polnischem Recht zumindest der Form, welche für das Rechtsgeschäft vorgeschrieben ist, zu dem die Vollmacht berechtigen soll. Soll also etwa der Bevollmächtigte ermächtigt werden, für die Gesellschaft ein Grundstück zu veräußern, bedarf die Erteilung der Vollmacht – anders als etwa nach deutschem Zivilrecht – einer notariellen Beurkundung.