Rz. 58
Auch die Scheidung im gegenseitigen Einvernehmen hat im Zuge der Scheidungsreform mit Gesetz Nr. 61/2008 vom 31.10.2008 eine Neufassung in den Art. 1775–1778-A CC erfahren. Nach Art. 1775 Abs. 1 CC kann die einvernehmliche Scheidung zu jeder Zeit von den Ehegatten gemeinsam beantragt werden. Folgende Vereinbarungen bzw. Dokumente müssen mit dem Antrag dem Zivilregisteramt vorgelegt werden (Art. 1775 Abs. 1 lit. a–e CC): die Auflistung des gemeinsamen Vermögens bzw. die Vereinbarung über die Vermögensaufteilung, die gerichtliche Entscheidung über die Ausübung der elterlichen Verantwortung über die minderjährigen Kinder bzw. die diesbezügliche Vereinbarung, die Vereinbarung über die Leistung von Unterhalt an den bedürftigen Ehegatten, eine solche über die Verwendung der ehelichen Wohnung sowie die Vorlage des – soweit vorhanden – beurkundeten Ehevertrages. Die Angabe eines Scheidungsgrundes wird nicht verlangt, ebenso wenig die Einhaltung einer (Mindest-)Trennungszeit vor Antragstellung. Damit muss nach portugiesischem Recht kein gesonderter Antrag hinsichtlich der Scheidungsfolgen gestellt bzw. ein eigenständiges Verfahren betrieben werden.
Rz. 59
Zunächst führt der Standesbeamte eine Besprechung mit den Ehegatten durch zwecks Prüfung, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Der Staatsanwaltschaft (Ministério Público) obliegt die Prüfung, ob die Kindesinteressen, d.h. die Vereinbarung über die Ausübung der elterlichen Verantwortung, gewahrt wurden (Art. 1776-A CC). Zuständig ist die Staatsanwaltschaft, die zur Gerichtsbarkeit des Gerichts der ersten Instanz gehört. Erforderlichenfalls unterbreitet der Standesbeamte (Art. 1776 Abs. 1 CC) bzw. die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Kindesinteressen (Art. 1776-A Abs. 2 CC) Änderungsvorschläge, gegebenenfalls mit der Anordnung für die Vornahme von Handlungen und erforderlicher Beweiserbringung. Bleiben die Eheleute bei ihrem Scheidungsbegehren, entfällt ab dem Termin der Anhörung die Pflicht zum Zusammenleben. Zudem kann jeder der Ehegatten die Aufstellung eines Inventars über das eigene und das gemeinschaftliche Vermögen beantragen (Art. 1776 Abs. 3 CC).
Rz. 60
Genügt die Einigung den gesetzlichen Anforderungen, also auch bei Annahme der Änderungsvorschläge des Standesbeamten durch die Eheleute, so erfolgt der Ausspruch der Scheidung und die erzielte Einigung wird bestätigt. Dagegen wird die Bestätigung der einvernehmlichen Scheidung verweigert, wenn die Interessen eines der Ehegatten oder der Kinder nicht genügend gewahrt sind bzw. wenn die Eheleute die Änderungsvorschläge nicht aufgreifen (Art. 1778 i.V.m. Art. 1776-A Abs. 4 CC). Dann wird der Antrag, wenn die Eheleute weiterhin der Auffassung sind, sich scheiden zu lassen, an das zuständige Amtsgericht gesendet (Art. 1778 CC). Der Richter fordert die Ehegatten dann zur Änderung der Vereinbarungen auf. Auch bei Fehlen einer Vereinbarung gem. Art. 1775 Abs. 1 CC (siehe Rdn 58) wird der Antrag bei Gericht eingereicht (Art. 1778-A Abs. 1 CC). Der Richter legt dann die Scheidungsfolgen fest, als handele es sich um eine Scheidung ohne Zustimmung eines Ehegatten (bisher "streitige Scheidung"); allerdings hat der Richter bei Festlegung der Scheidungsfolgen auf Vereinbarungen hinzuwirken (Art. 1778-A Abs. 6 CC). In beiden Fällen ist der Richter befugt, gegebenenfalls erforderliche Handlungen sowie Beweiserbringung anzuordnen (Art. 1778-A Abs. 2–4 CC). Abschließend wird die Scheidung mit entsprechender Eintragung ausgesprochen.