Rz. 168
Das notarielle Verfahren ist in den Art. 82 ff. Código do Notariado geregelt. Es sieht die Beurkundung der Erklärung dreier Personen vor, die der Notar für glaubwürdig hält und die bestätigen, dass es sich bei den benannten Erben um die Erben des Erblassers handelt, dass niemand bevorrechtigt ist und dass keine anderen Erben in direkter Konkurrenz zu den benannten Erben stehen (Art. 83 Código do Notariado).
Rz. 169
Das Merkmal der Glaubwürdigkeit ist im Gesetz nicht näher definiert. In der Praxis müssen die Zeugen klaren Verstandes sein und die portugiesische Sprache verstehen; zudem dürfen die Zeugen nicht blind, taub oder stumm sein, müssen des Schreibens mächtig sein und sollten volljährig bzw. für volljährig erklärt (emancipado) worden sein. Alternativ kann die Erklärung durch den Erbwalter (Cabeça-de-casal) abgegeben werden. Als Zeugen ausgeschlossen sind erbberechtigte Verwandte der Erben und deren Ehegatten sowie Urkundspersonen, wie z.B. Angestellte des Notariats, in dem die Beurkundung durchgeführt wird. Ebenso ausgeschlossen sind Familienangehörige des Notars in gerader Linie und bis zum zweiten Grad der Seitenlinie (Art. 84 Código do Notariado).
Rz. 170
Die Erklärung beinhaltet den vollständigen Namen des Erblassers und der Zeugen/des Erbwalters, den Personenstand, den Geburtsort und den letzten bzw. aktuellen Wohnort. Falls einer der Zeugen minderjährig sein sollte, ist auch dieses Merkmal in die Urkunde aufzunehmen (Art. 83 Abs. 3 Código do Notariado). Sowohl die Zeugen als auch der Erbwalter werden vom Notar zur Wahrheit ermahnt und auf die Strafbarkeit der vorsätzlichen und gegebenenfalls einen Dritten schädigenden Falschaussage hingewiesen.
Rz. 171
Im Nachweisverfahren sind folgende Urkunden vorzulegen (Art. 85 Código do Notariado):
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Sterbeurkunde; |
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Dokumente, die die gesetzliche Erbfolge belegen, soweit die Erben die Eigenschaft von gesetzlichen Erben haben; |
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eine beglaubigte Abschrift des Testaments oder der Urkunde, die die Schenkung von Todes wegen belegt, soweit sich die Berechtigung aus einem solchen Dokument ableiten lässt. |
Rz. 172
Praxishinweis:
Die Notare verlangen in der Praxis von den Erben und/oder Vermächtnisnehmern
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eine Geburtsurkunde, bei Erben nicht portugiesischer Nationalität eine internationale Geburtsurkunde; |
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die Kopie eines Ausweisdokuments und, soweit dieses den Wohnsitz nicht enthält, einen Nachweis über den Wohnsitz; |
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eine portugiesische Steuernummer (NIF), die gesondert beim portugiesischen Finanzamt zu beantragen ist. |
Rz. 173
Das Europäische Nachlasszeugnis soll gem. Art. 62 ff. EuErbVO die Rechtstatsachen, insbesondere die Rechtsstellung des Erben, den jeweiligen Anteil am Nachlass, die Zuweisung bestimmter Vermögenswerte etc. bestätigen. Die Verwendung ist allerdings nicht verpflichtend, so dass verschiedene Nachweise nebeneinander existieren können. Allerdings hat der EuGH am 21.6.2018 (Rechtssache "Oberle") entschieden, dass nur die Behörden im Mitgliedstaat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers für den Antrag auf Erlass eines nationalen Erbscheins oder des Europäischen Nachlasszeugnisses zuständig sind, so dass bei einem Deutschen mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Portugal ausschließlich die portugiesischen Behörden für die Ausstellung des entsprechenden Nachweises zuständig sind.
Rz. 174
Praxishinweis:
Die Registerbehörden, die für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses zuständig sind, werden im Internet auf der Seite des IRN (Instituto dos Registos e do Notariado) unter www.irn.mj.pt benannt. Auskünfte können auch telefonisch im Inland unter 211.950.500 und aus dem Ausland unter +351.211.950.500 eingeholt werden.
Rz. 175
Sowohl die portugiesischen als auch die deutschen Behörden/Gerichte versuchen bisweilen, die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses zu verzögern, weil der Antrag aufwendig ist. Die Bearbeitungszeiten belaufen sich ganz schnell auf ein Jahr. Auch die beschränkte Gültigkeit für die Abschrift des Europäischen Nachlasszeugnisses stellt in der Praxis ein Verfahrenshindernis dar, zumal nicht erkennbar ist, aus welchem Grund das Europäische Nachlasszeugnis in so kurzer Zeit (sechs Monate) seine Gültigkeit verliert. Sowohl der deutsche als auch der portugiesische nationale Erbschein beinhalten keine zeitliche Begrenzung der Gültigkeit.
Rz. 176
Die Notwendigkeit, das Europäische Nachlasszeugnis übersetzen und die Übersetzung beglaubigen zu lassen, ist besonders kostenintensiv und stellt ein zusätzliches Hindernis dar, zumal die Behörden in beiden Staaten immer wieder mit leicht abgeänderten Vordrucken arbeiten, sodass der gesamte Text gesichtet werden muss. In der Praxis verlangen die portugiesischen Behörden und die Banken gesetzeswidrig eine beglaubigte Übersetzung des Testaments und des Eröffnungsvermerks, obwohl der Testamentsinhalt bereits in das Europäische Nachlasszeugnis übertragen wurde.
Der Aufwand kann unangemessen hoch sein, insbesondere dann, wenn nur ein Konto mit geringem Guthaben in...