Rz. 1
Das portugiesische Gesellschaftsrecht und insbesondere das Recht der GmbH sind sehr stark vom deutschen Rechtsdenken beeinflusst. So wurde das deutsche GmbH-Gesetz vom 10.5.1892 im Jahr 1901 in weiten Teilen in das portugiesische Recht übernommen. Das Recht der Handelsgesellschaften ist seit dem Jahr 1986 in dem Gesetzbuch für Handelsgesellschaften (Código das Sociedades Comerciais, CSC) einheitlich und umfassend geregelt. Rechtsgrundlage ist das Gesetzesdekret Nr. 262/86 vom 2.9.1986. Gesellschaften, die beabsichtigen, Handelsgeschäfte im weitesten Sinne zu tätigen, müssen eine der im CSC geregelten Rechtsformen annehmen. Hinsichtlich der Gesellschaftsformen gibt es einen "numerus clausus". Es handelt sich um die Offene Handelsgesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft sowie die Kommanditgesellschaft auf Aktien. Nicht zu den Handelsgesellschaften gehören neben den Genossenschaften die Ein-Personen-Unternehmergesellschaft, die Arbeitsgemeinschaften nach nationalem Recht und die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV). Letztere sind ebenso wie die OHG und die KG Personengesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit. Von den Handelsgesellschaften zu unterscheiden sind auch die in der Praxis selten vorkommenden BGB-Gesellschaften, deren Gesellschaftszweck die Ausübung von Handelsgeschäften vorsieht. Seit 2005 ist die Europäische Aktiengesellschaft geregelt.
Rz. 2
Zu dem am meisten verbreiteten Typ der Handelsgesellschaften zählt die GmbH, gefolgt von der Einmann-GmbH und der AG.
Rz. 3
Bisher hat Portugal alle EU-Richtlinien auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts zeitgerecht in nationales Recht umgesetzt.
Anders als im Notariatswesen und im Gebührenrecht sind die praktischen Auswirkungen der Rspr. des EuGH auf das Gesellschaftsrecht – abgesehen von der Rspr. zu den "golden shares" des portugiesischen Staates an teilprivatisierten Gesellschaften – gering. Dies hängt damit zusammen, dass der CSC ein modernes Gesetzbuch ist und, was die identitätswahrende Sitzverlegung vom Ausland ins Inland und umgekehrt angeht (vgl. Rdn 126 ff.), offen und weitsichtig ist. Auch im Fall der grenzüberschreitenden Verschmelzung von Gesellschaften hat die Rspr. des EuGH im Fall "SEVIC" die Weitsicht des CSC bestätigt. Die im CSC geregelten Vorschriften über die Verschmelzung (Fusão) sind neutral, d.h. sowohl auf im Inland als auch im Ausland sitzende Gesellschaften anwendbar.
Rz. 4
Reformüberlegungen beziehen sich nicht auf das materielle Gesellschaftsrecht, sondern auf die Vereinfachung von mit der Gründung einer Gesellschaft in Zusammenhang stehenden bürokratischen Erfordernissen. Ein Beispiel ist die Einführung einer "Turbo"-GmbH oder "Turbo"-AG, d.h. einer Kapitalgesellschaft, die zu besonders günstigen Kosten an einem Tag gegründet werden kann. Rechtsgrundlage ist das GD Nr. 111/2005 vom 8.7.2005 bezüglich der Gründung eines Unternehmens "in einer Stunde". Die Schnelligkeit der Gründung wird dadurch erreicht, dass der Gesellschafter aus einer Sammlung von 200 vorreservierten Firmierungen einen Namen für seine Gesellschaft aussuchen kann. Dadurch wird das normale, zeitraubende und teilweise schwierige Namensregistrierungsverfahren bei dem RNPC ersetzt. Neben den vorreservierten Firmenbezeichnungen gibt es auch Firmierungen, die gleichzeitig als Marke bei dem INPI reserviert sind und dort mit der Firmengründung angemeldet werden können. Der Gesellschaftsvertrag der "Turbo"-GmbH wird nicht mehr vor dem Notar beurkundet, sondern die Unterschrift der Gesellschafter unter den Gesellschaftsvertrag wird in bestimmten Behördenzentren (CFE) oder im Handelsregister beglaubigt. Nach erfolgter Gründung erhält der Gesellschafter sofort den ausgefertigten Gesellschaftsvertrag, einen Handelsregisterauszug und den definitiven Unternehmensausweis. Die Gesellschaft wird sofort bei dem Finanzamt angemeldet und in die Sozialversicherung eingeschrieben. Nachteilig ist, dass der zur Gründung einer "Turbo"-GmbH verwendete Gesellschaftsvertrag ein vorformulierter Standardvertrag ist und der Besucher der Internetseite nur zur Wahl eines vorgefertigten Gesellschaftsvertrags einer Ein-Mann-GmbH, einer GmbH oder einer AG aufgefordert wird. Seit April 2011 benötigen die GmbH und die Einmann-GmbH grundsätzlich kein Mindestkapital mehr. Die Gesellschafter können die Höhe des Gesellschaftskapitals bestimmen. Wenn das Gesetz keine andere Regelung vorsieht, muss das gewählte Gesellschaftskapital bis zum Ende des ersten Geschäftsjahres nach Gründung der Gesellschaft einbezahlt werden. Unabhängig von der Einführung der "Turbo"-GmbH oder "Turbo"-AG wurde der Beurkundungszwang im Gesellschaftsrecht aufgehoben. Die Gründung einer GmbH oder AG, die Vornahme von Anteilsabtretungen und andere Rechtsgeschäfte, die zuvor dem Beurkundungszwang unterlagen, können mit einem privatschriftlichen Dokument mit entsprechend...