Rz. 101

Unter dem Noterbrecht (legítima) versteht man denjenigen Teil der Güter, über den der Testierende nicht verfügen kann, weil er von Gesetzes wegen für die "Legitimerben" (herdeiros legitimários) bestimmt ist (Art. 2156 CC). Nach dieser Legaldefinition ist der Pflichtteil ein Noterbrecht[75] einzelner Personen in Bezug auf einen bestimmten Teil der Erbschaft.

 

Rz. 102

Im portugiesischen Recht umstritten ist die Frage, ob das Noterbrecht dinglich wirkt oder aber nur ein Forderungsrecht beinhaltet (ähnlich § 2303 BGB).[76] Die Umschreibung des Art. 2156 CC spricht für ein dingliches Recht, also ein echtes Erbrecht (pars hereditatis) und nicht nur ein bloßes Forderungsrecht.[77] Damit hat der portugiesische Noterbe die Stellung eines gesetzlichen Erben, d.h., der Noterbe kann nicht ganz enterbt werden. Will er sein Noterbrecht geltend machen, muss er die Erbschaft annehmen (siehe Rdn 111 f.) und gegenüber den Testamentserben die Herabsetzung, erforderlichenfalls klageweise, verlangen (siehe Rdn 110).

 

Rz. 103

Das Recht auf den Noterbteil nach dem portugiesischen Código Civil (legítima) unterscheidet sich damit wesentlich vom Pflichtteilsrecht nach dem BGB. Während der Pflichtteilsberechtigte nach deutschem Recht durch den Erblasser enterbt werden kann, ist dies im Falle des Noterben portugiesischen Rechts gerade nicht möglich (zur engen Ausnahme siehe Rdn 104).

 

Rz. 104

Der das Noterbrecht umfassende Anteil am Nachlass ist nicht disponibel. Im Hinblick auf eine mögliche Belastbarkeit des Noterbrechts, dessen Ersetzung durch ein Vermächtnis und Enterbung ist auf Folgendes hinzuweisen:

Der Noterbteil darf vom Erblasser nicht belastet werden (etwa mit einem Nutzungsrecht oder einer lebenslangen Rente), Art. 2163 CC. Bei Nichtbeachtung haben die Noterben die Wahl, das Vermächtnis zu erfüllen oder dem Vermächtnisnehmer nur die verfügbare Quote (den die Noterbrechte überschießenden Wert bis zur Höhe des Vermächtnisses) zu übergeben (Art. 2164 CC).
Der Erblasser kann das Noterbrecht "ablösen", indem er dem Berechtigten ein Vermächtnis aussetzt (Art. 2165 CC: Legado em substitução da legítima). Dieser hat dann die Wahl zwischen beiden: Nimmt er das Vermächtnis an, so verliert er damit sein Noterbrecht wie er umgekehrt bei Annahme des Noterbrechts das Recht auf das Vermächtnis verliert (Art. 2165 Abs. 2 CC). Übersteigt der Wert des Vermächtnisses den Noterbteil, wird er insoweit der disponiblen Quote hinzugerechnet.
Schließlich ist eine Enterbung des Noterbberechtigten möglich – unter Angabe des Grundes im Testament, z.B. im Falle der Erbunwürdigkeit (Art. 2166 CC: Deserdação).[78] Der Enterbte kann dies innerhalb von zwei Jahren nach Testamentseröffnung gerichtlich anfechten (Art. 2167 CC: Impugnação da deserdação).
[75] Wie in anderen romanischen Rechten, etwa zum spanischen Recht siehe Steinmetz/Huzel/Garcia, Länderbericht Spanien. Die Verwendung des für das deutsche Recht passenden Terminus "Pflichtteil" – auch – für das portugiesische Recht erscheint daher unangemessen; so schon zutreffend Rau, ZVglRWiss 80 (1981), 251 Fn 31.
[76] Neto/Martins, Código civil anotado, Art. 2156 CC Anm. 4.
[77] Siehe bereits Rau, ZVglRWiss 80 (1981), 251 mit zutreffendem Hinweis (Fn 31).
[78] Weitere Enterbungsgründe sind (vgl. Art. 2166 CC): wenn der Noterbberechtigte wegen bestimmter vorsätzlicher Handlungen gegen den Erblasser oder gegen dessen nahe Angehörige strafrechtlich verurteilt worden ist oder wenn er sich ohne gerechtfertigten Grund geweigert hat, dem Erblasser oder dessen Ehegatten den geschuldeten Unterhalt zu leisten.

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