A. Grundsätze der GBO als Entscheidungsgrundlagen

I. Grundsätze des Sachenrechts und des Grundbuchverfahrensrechts

 

Rz. 1

Die Grundsätze des materiellen Grundstücksrechts dienen dem Bedürfnis des Grundstücksverkehrs nach Sicherheit und Klarheit. Zu nennen sind:

Absolutheitsgrundsatz: Jedes dingliche Recht wirkt als Recht einer Person über eine Sache (Grundstück) gegen jedermann.
Grundsatz der beschränkten Zahl dinglicher Rechte (numerus clausus): Er zwingt die Beteiligten, sich zur Regelung dinglicher Rechtsverhältnisse der gesetzlich festgelegten dinglichen Rechte zu bedienen (siehe dazu § 1 Einl. Rdn 76).
Eintragungsgrundsatz: Er dient der "Sichtbarmachung" dinglicher Rechte (siehe dazu Rdn 2; § 1 Einl. Rdn 9 ff.).
Einigungsgrundsatz: Er verwirklicht die Privatautonomie (vgl. dazu Rdn 4; § 1 Einl. Rdn 31).
Prioritätsgrundsatz: Das früher eingetragene Recht geht den nachfolgenden Rechten am gleichen Grundstück vor (vgl. dazu Rdn 6).
Bestimmtheitsgrundsatz: Inhaber, Gegenstand und Inhalt dinglicher Rechte müssen bestimmt und für Dritte genau feststellbar sein (vgl. dazu Rdn 7).
Publizitätsgrundsatz: Das Grundbuch nimmt dem als Inhaber eines Rechts Eingetragenen die Beweislast ab und schützt den redlichen Grundstücksverkehr durch den öffentlichen Glauben (siehe dazu Rdn 9, § 1 Einl. Rdn 9 ff.).
Abstraktionsgrundsatz: Das schuldrechtliche Grundgeschäft und das Verfügungsgeschäft sind zwei unterschiedliche Rechtsgeschäfte; ein Kausalvertrag bewirkt keine dingliche Rechtsänderung. Dingliche Rechtsverhältnisse sind von einer Zweckbestimmung und vom Bestand des schuldrechtlichen Geschäfts unabhängig (siehe dazu § 1 Einl. Rdn 19).

Die Grundsätze des Grundbuchverfahrensrechts dürfen nicht isoliert vom materiellen Grundstücksrecht betrachtet werden. Sie haben meistens ein Gegenstück im materiellen Recht, das sie trotz der Unterschiede oder scheinbaren Widersprüche sinnvoll ergänzen. Auch die Grundsätze des Grundbuchverfahrens haben, wie alle Grundsätze, Grenzen, in deren Bereich der Grundsatz abgeschwächt oder durch andere Grundsätze überlagert wird. Rechtsfragen können mitunter gerade im Verfahrensrecht mangels gesetzlicher Vorschriften nur nach diesen Grundsätzen gelöst werden. Die Berufung auf einen Grundsatz muss diese Grenzen beachten, sonst wird das Ergebnis fragwürdig oder falsch. Das Grundbuchverfahrensrecht hat aus diesen Gründen eine dienende Funktion gegenüber dem materiellen Recht. Prüfungsrecht und Prüfungspflichten des Grundbuchamts waren und sind daher immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.[1]

[1] Beispielhaft: Liebers, Die Prüfungspflicht des Grundbuchrichters gegenüber Eintragungsanträgen und -ersuchen (Diss. Berlin 1954); Riedl, Prüfungsrecht und Prüfungspflicht im Grundbuchwesen (Diss. Köln 1962); Vassel, Das Grundbucheintragungsverfahren und die materielle Richtigkeit des Grundbuches (Diss. Marburg 1970); Köther, Der Umfang der Prüfungspflicht im Grundbuchrecht (Diss. Würzburg 1981); Rühl, Materiell-rechtliche Prüfungspflichten im Eintragungsverfahren nach der Grundbuchordnung (Diss. Freiburg 1990); Glahs, Die Sachverhaltsermittlung und Beweislastverteilung im Grundbuchantragsverfahren (Diss. Bochum 1993); Venjakob, Das Legalitätsprinzip im Grundbuchverfahren (Diss. Münster 1996).

II. Eintragungsgrundsatz

 

Rz. 2

Im materiellen Recht ist die Grundbucheintragung entweder eine notwendige Voraussetzung, ohne die ein dingliches Recht nicht bestellt, geändert oder aufgehoben werden kann (§§ 873, 875 BGB), wobei insoweit auf den Vorgang des Eintragens selbst abgestellt ist,[2] oder eine Maßnahme, um bei unrichtigem GB (§ 894 BGB) den Zwiespalt zwischen Buchlage und wahrer Rechtslage zu beseitigen und sich gegen die Gefahren der Richtigkeitsvermutung (§ 891 BGB) und des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs (§§ 892, 893 BGB) zu schützen. Das materielle Recht setzt das Vorhandensein des Grundbuchs voraus und knüpft seine Wirkungen an den Grundbuchinhalt ohne Rücksicht darauf, ob er formell ordnungsgemäß zustande gekommen ist.

Das Grundbuchverfahrensrecht regelt den Weg bis zur Eintragung und befasst sich demgemäß mit den formellen Voraussetzungen und der Art und Weise der Eintragungstätigkeit des Grundbuchamts. Es bestimmt ferner, wann überhaupt eine wirksame Eintragung vorliegt, die das materielle Recht voraussetzt (siehe § 1 Einl. Rdn 56 ff.).[3]

[2] RGZ 131, 97, 100; Soergel/Stürner, BGB, § 873 Rn 18.
[3] Teilweise a.A. hinsichtlich der §§ 892, 893 BGB: Lutter, AcP 164 (1964), 122, 152 ff.

III. Antragsgrundsatz

 

Rz. 3

Antragsverfahren: Das Grundbuchverfahrensrecht verwirklicht die Privatautonomie durch das Antragserfordernis des § 13 GBO. Das Grundbuchamt darf ohne Antrag weder Eintragungen noch Löschungen noch Berichtigungen vornehmen und nicht mehr und nichts anderes eintragen, als vom Antragsteller beantragt worden ist; die genaue Fassung der Eintragung einschließlich der Bezeichnung des Berechtigten bleibt allerdings dem Grundbuchamt überlassen. Der Antragsteller hat die erforderlichen Unterlagen dem Grundbuchamt vorzulegen. Das Grundbuchamt ist zu eigenen Ermittlungen oder Beweiserhebungen weder berechtigt noch verpflichtet (vgl. Rd...

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