Rz. 27
Nach Art. 103 Abs. 1 GG hat jedermann vor Gericht Anspruch auf rechtliches Gehör. Jeder Verfahrensbeteiligte kann mit der Rüge, in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt zu sein, auch Verfassungsbeschwerde erheben (§ 90 Abs. 1 BVerfGG). Rechtliches Gehör ist auch im Grundbuchverfahren zu gewähren, für welches der Rechtspfleger zuständig ist (§ 3 Nr. 1 Buchst. h RPflG; dazu § 1 GBO Rdn 16 ff.).
Das BVerfG verneint in gerichtlichen Verfahren der Zuständigkeit des Rechtspflegers die unmittelbare Anwendung von Art. 103 Abs. 1 GG, weil der Rechtspfleger nicht Richter im Sinne des Art. 92 GG sei. Es geht stattdessen davon aus, dass sich im Verfahren vor dem Rechtspfleger die Pflicht zur Anhörung der in ihren Rechten Betroffenen nach dem rechtsstaatlichen Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 3 Abs. 2 GG bestimmt. Diese Feststellungen werden zu Recht kritisiert. Differenzierend legt insbesondere Habscheid dar, dass das rechtliche Gehör des Art. 103 Abs. 1 GG Ausfluss des höherrangigen Rechtes auf Gewährung eines fairen Verfahrens ist, das selbstverständlich auch für Verfahren gilt, für welche der Rechtspfleger zuständig ist. Verletzungen des Grundsatzes des fairen Verfahrens sind als Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 3 GG zu werten. Letztlich hat sich die vom BVerfG verstandene Anhörung in Verfahren vor dem Rechtspfleger nach den Grundsätzen zu richten, die für das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG entwickelt worden sind und gelten.
Das Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs gibt den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, sich vor Erlass der Entscheidung zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt, aber auch zur Rechtslage zu äußern. Das Gericht hat den Vortrag zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen.
Rz. 28
Im Antragsverfahren ist das rechtliche Gehör dadurch gewahrt, dass das Grundbuchamt zur Eintragung die Bewilligung aller Personen benötigt, deren Rechtsstellung durch die Eintragung ungünstiger gestaltet wird oder werden kann. Damit ist regelmäßig bereits durch den Antragsgrundsatz des § 13 GBO und das formelle Konsensprinzip des § 19 GBO das rechtliche Gehör der Beteiligten gewahrt. In Verfahren der Grundbuchberichtigung auf Grund nachgewiesener Unrichtigkeit ist vor der Berichtigung dem formell Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren (siehe § 22 GBO Rdn 172). Ob in jedem Fall vor Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses nach § 18 GBO rechtliches Gehör gewährt und die Zurückweisung angekündigt werden muss, ist Frage des Einzelfalles. Ist bereits eine ordnungsgemäße Zwischenverfügung ergangen, ist eine nochmalige Anhörung vor der Zurückweisung entbehrlich. Soll die Zurückweisung sofort erfolgen, kann vorher rechtliches Gehör gewährt werden. Maßgebend sollte aber nicht die Erwägung sein, dass durch Antragsrücknahme die Zurückweisung vermieden werden könnte. Erst recht ist eine Zwischenverfügung mit der Aufforderung zur Antragsrücknahme unzulässig.
In den Amtsverfahren ist stets rechtliches Gehör zu gewähren, insbesondere vor Eintragung eines Amtswiderspruchs oder einer Amtslöschung nach § 53 GBO. Auch das Verfahren der Löschung wegen Gegenstandslosigkeit sieht mit den §§ 85 ff. GBO eine Beteiligung des Betroffenen vor.
Ob bei der Gewährung von Grundbuchseinsicht nach § 12 GBO dem betroffenen Rechtsinhaber rechtliches Gehör zu gewähren ist, hängt von dem Sachvortrag zum berechtigten Interesse desjenigen ab, der Einsicht begehrt (eingehend § 12 GBO Rdn 16, 17).