Leitsatz

Gegenstand des Verfahrens war die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen die uneingeschränkte Beiordnung eines Rechtsanwalts geboten und zulässig ist.

 

Sachverhalt

Der in einem Vorort von Hannover wohnenden Antragstellerin war vom AG Prozesskostenhilfe für das Ehescheidungsverfahren unter Beiordnung ihres in Hannover ansässigen Prozessbevollmächtigte bewilligt worden, und zwar "gemäß § 121 Abs. 3 ZPO zu den Bedingungen eines bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts". Die dem Prozessbevollmächtigten am 10.1.2007 formlos übersandte Ausfertigung des Beschlusses war jedoch fehlerhaft, der beschränkende Zusatz fehlte.

Zu dem Scheidungstermin ordnete das AG das persönliche Erscheinen der Antragstellerin an. In der mündlichen Verhandlung erschien jedoch allein ihr Prozessbevollmächtigter. Die Antragstellerin hatte in dem zur selben Zeit terminierten Parallelverfahren (Auskunft zur Geltendmachung von Unterhalt) darauf hingewiesen, dass ihr Anwalt umfassend informiert sei und damit in jenem Rechtsstreit einen Verzicht des Gerichts auf ihr persönliches Erscheinen erreicht.

Nach Abschluss des Scheidungsverfahrens beantragte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin die Festsetzung einer Vergütung einschließlich seiner Auslagen für Fahrtkosten nach Berlin i.H.v. 146,50 EUR sowie Abwesenheitsgeld i.H.v. 35,00 EUR. Im Streit um die Absetzung dieser Kosten war der Antragstellerin mit Schreiben des AG vom 11.6.2008 eine zutreffende Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses formlos mit der Bitte übersandt worden, die falsche Ausfertigung zu vernichten und das Versehen zu entschuldigen. Mit dem am 18.6.2008 bei Gericht eingegangenen anwaltlichen Schreiben vom 17.6.2008 hatte die Antragstellerin gerügt, ihr Anwalt sei zur Frage einer Beiordnung zu den Konditionen eines ortsansässigen Anwalts nicht gehört worden und habe hinsichtlich der Doppelausfertigung des Beschlusses Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben.

Mit Schreiben vom 12.8.2008 teilte die Antragstellerin mit, ihr Schriftsatz vom 17.6.2008 solle als Beschwerde gegen den die Beiordnung nur eingeschränkt aussprechenden Beschluss angesehen werden.

Das AG hat dieser Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidung

Das KG hielt die Beschwerde für zulässig und auch begründet.

Entgegen der Auffassung des AG habe es im vorliegenden Fall nicht bei der Beiordnung des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts bleiben dürfen.

Die Beschwerde sei allerdings nicht bereits deswegen begründet, weil das AG die beschränkte Beiordnung ohne vorherige Nachfrage bei dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin angeordnet habe (BGH, NJW 2006, 1783). Die Kenntnis von dem Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO werde bei einem Anwalt vorausgesetzt. Stelle ein auswärtiger Anwalt einen Beiordnungsantrag, könne sein Einverständnis mit einer beschränkten Beiordnung vermutet werden. Soweit der betroffene Anwalt die Auffassung vertrete, er sei in dem konkreten Fall trotz des Mehrkostenverbots ohne Einschränkung beizuordnen, stehe ihm ein eigenes Beschwerderecht zu.

Das AG gehe im Ausgangspunkt auch zutreffend davon aus, dass im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe nach § 121 Abs. 1 und 3 ZPO in der Regel ein bei dem Prozessgericht niedergelassener Anwalt beizuordnen sei (BGH, FamRZ 2004, 1362; NJW 2006, 3783). Nach § 121 Abs. 3 ZPO könne ein nicht bei dem Prozessgericht niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch keine weiteren Kosten entständen.

Nach § 121 Abs. 4 ZPO könne der Partei ein Verkehrsanwalt als weiterer Anwalt beigeordnet werden, wenn "besondere Umstände" dies erforderten. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen sei grundsätzlich auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits und die subjektiven Fähigkeiten der Partei abzustellen (Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 121 Rz. 18). Bei der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs sei im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung ihres Rechtsschutzes (BVerfG NJW 2004, 1789) aber auch auf die Rechtsprechung des BGH zur grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines am Wohnort der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts zu beachten. Danach dürfe eine ihre Belange vernünftig und kostenbewusst wahrnehmende Partei für das zur Verfolgung ihrer Interessen notwendige persönliche Beratungsgespräch mit einem Rechtsanwalt den für sie einfacheren und nahe liegenden Weg wählen und einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten beauftragen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz greife nur dann ein, wenn bereits zum Zeitpunkt der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten feststehe, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Rechtsverfolgung nicht erforderlich sein werde.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze beanstande die Antragstellerin die eingeschränkte Beiordnung ihres Anwalts zu Recht. A...

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