Leitsatz
Beide Eheleute waren marokkanische Staatsangehörige. Sie lebten in Deutschland und betrieben hier bei einem Familiengericht das Ehescheidungsverfahren. Der Ehemann hatte den Ehescheidungsantrag gestellt und hierfür Prozesskostenhilfe beantragt. Die Ehefrau wollte ebenfalls geschieden werden. Der Ehemann berief sich auf seine Verstoßenserklärung ggü. der Ehefrau, die er ihr ggü. mehrfach ausgesprochen habe.
Das FamG hielt die beabsichtigte Rechtsverfolgung für nicht hinreichend erfolgreich und verweigerte die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Die hiergegen von dem Ehemann eingelegte sofortige Beschwerde führte zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Gewährung von Prozesskostenhilfe sowie Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG bejahte eine hinreichende Erfolgsaussicht für den angekündigten Antrag des Antragstellers auf Scheidung der Ehe.
Das AG weise zutreffend darauf hin, dass grundsätzlich die marokkanischen Sachvorschriften anzuwenden seien.
Die Art. 17 Abs. 1 S. 1, 14 Ziff. 1 EGBGB verwiesen wegen der übereinstimmenden Heimatstaatsangehörigkeit der Parteien auf die marokkanische Rechtsordnung einschließlich des dortigen internationalen Privatrechts. Diese Gesamtverweisung werde vom marokkanischen Recht angenommen, welches im Bereich der Ehescheidung seinerseits an die Staatsangehörigkeit der Parteien knüpfe (vgl. OLG Hamm v. 18.8.1994 - 4 WF 307/94, FamRZ 1996, 731 = IPRax 1995, 174, 175; Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Marokko, S. 10 f.).
Die Voraussetzungen der Art. 53 ff. des marokkanischen Gesetzbuches des Personen- und Erbrechts vom 10.9.1993, welche die Ehescheidung regelten, seien nach summarischer Prüfung nicht erfüllt.
Einerseits behielten diese Regelungen die Beantragung einer Ehescheidung ausschließlich der Ehefrau vor, andererseits ermöglichten sie - anders als die deutschen Sachvorschriften - eine Auflösung des Ehebandes allein nach Ablauf eines Trennungsjahres nicht.
Allerdings habe der Antragsteller nach seinem Vortrag ggü. der Antragsgegnerin bereits am 19.6.2008 dreimal deutlich die sog. "Verstoßung" ausgesprochen. Dadurch habe er die Voraussetzungen für eine einseitige Lossagung nach den Art. 44 ff. des marokkanischen Gesetzbuches des Personen- und Erbrechts erfüllt, wonach eine Verstoßung der Ehefrau durch den Ehemann "mit klaren Worten" mündlich oder schriftlich erfolgen könne.
Die Auffassung des AG, wonach die Art. 44 ff. des marokkanischen Gesetzbuches wegen Verletzung des deutschen ordre public nach Art. 6 EGBGB grundsätzlich unanwendbar seien, hielt das OLG im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu für zweifelhaft. Im Rahmen der gebotenen Einzelfallprüfung sei vorliegend insbesondere zu berücksichtigen, dass einerseits die im Rahmen des "talaq" benachteiligte Ehefrau einer Auflösung des Ehebandes ausdrücklich zustimme und andererseits die Ehe zwischen den Parteien wegen der Zustimmung der Antragsgegnerin und einer mehr als einjährigen Trennung der Parteien auch nach deutschen Sachvorschriften zu scheiden sei.
Sollte das AG die Art. 44 ff. des marokkanischen Gesetzbuches des Personen- und Erbrechts nach wie vor für unanwendbar halten, werde es zunächst versuchen müssen, die entstehende Gesetzeslücke durch die Grundsätze des primär berufenen marokkanischen Familienrechts zu schließen (vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.1992, Az: XII ZB 18/92, FamRZ 1993, 316, Juris, Rz. 21; OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 1113 [1114]). Hilfsweise werde es auf die deutschen Sachvorschriften zurückzugreifen haben, wonach ebenfalls eine hinreichende Erfolgsaussicht bestehe.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Beschluss vom 27.01.2010, II-2 WF 259/09