Leitsatz
Im Rahmen eines Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens über eine Abänderungsklage betreffend den Kindesunterhalt hat sich das OLG Karlsruhe mit der Frage zurechenbarer fiktiver Erwerbseinkünfte für einen unverschuldet arbeitslos gewordenen Unterhaltsschuldner auseinandergesetzt. Thematisiert wurde ferner seine Erwerbsobliegenheit und die Qualifikation einer von ihm vorgenommenen Umschulungsmaßnahme.
Sachverhalt
Der Antragsteller beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Abänderungsklage. Er war Vater einer im Jahre 2007 geborenen Tochter, die im Haushalt ihrer Mutter lebte. Außerdem hatte er eine weitere im Jahre 1994 geborene Tochter. Durch Jugendamtsurkunde vom 20.11.2008 hatte er sich für die im Jahre 2007 geborene Antragsgegnerin zur Zahlung von 105 % des jeweiligen Mindestbetrages gemäß § 1612a BGB verpflichtet. Zum Zeitpunkt der Errichtung dieser Urkunde war er als Fernfahrer beschäftigt und erzielte Einkünfte, die den titulierten Unterhalt rechtfertigten.
Der Unterhalt für die ältere im Jahre 1994 geborene Tochter war durch Jugendamtsurkunde vom 19.5.1994 in Höhe des Regelunterhalts tituliert.
Zum 30.4.2009 hatte der Antragsteller seinen Arbeitsplatz verloren, nachdem die Firma, für die er tätig war, ihren Betrieb eingestellt hatte.
Ab 1.5.2009 bezog er Arbeitslosengeld in Höhe von 900,00 EUR monatlich.
Der Antragsgegner hatte im Juni 2009 eine Einstellungszusage einer anderen Firma als Berufskraftfahrer im Omnibusverkehr erhalten. Die Zusage war unter der Voraussetzung erteilt worden, dass er den Erwerb der erforderlichen Fahrerlaubnis und der Ausbildung zum Berufskraftfahrer im Omnibusverkehr nachweise. Zugesagt war ihm ein Bruttolohn von 1.200,00 EUR monatlich.
Vom 19.6.2009 bis zum 19.9.2009 hat der Antragsgegner eine von der Bundesagentur für Arbeit geförderte Weiterbildungsmaßnahme zum Erwerb des Busführerscheins absolviert.
Mit dem am 2.6.2009 beim AG eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes Abänderung der Unterhaltsverpflichtung auf Null für seine im Jahre 2007 geborene Tochter ab 1.5.2009 beantragt.
Zur Begründung führte er an, er habe sich umfangreich beworben, aber keinen Arbeitsplatz gefunden. Selbst wenn er wieder eine Anstellung finden werde, sei davon auszugehen, dass sich sein Einkommen verringern werde.
Das AG hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen unter Hinweis auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit des Antragstellers. Dass er dieser genügt habe, sei nicht hinreichend dargetan. Im Hinblick auf die erhöhten Anforderungen an die Leistungsfähigkeit könne er sich nicht darauf berufen, eine Umschulung zu machen.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt. Im Hinblick auf ein von ihm am 15. September 2009 eingegangenes neues Arbeitsverhältnis könne er den titulierten Kindesunterhalt ab Eingehung des neuen Arbeitsverhältnisses zahlen. Er beantragte daher nur noch Prozesskostenhilfe für eine Abänderungsklage betreffend den Zeitraum vom 1.5.2009 bis zum 14.9.2009.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidung
Anders als das AG ging das OLG davon aus, die Verringerung des Einkommens des Antragstellers in dem noch streitigen Unterhaltszeitraum vom 1.5.2009 bis zum 14.9.2009 sei anzuerkennen.
Dem Antragsteller sein kein fiktives Einkommen zuzurechnen. Sein Arbeitsverhältnis sei zum 30.4.2009 aufgelöst worden, weil sein Arbeitgeber den Betrieb eingestellt habe. Es liege daher keine unterhaltsrechtlich leichtfertige Aufgabe des Arbeitsplatzes vor. Bei unverschuldeter Kündigung sei der Unterhalt auf der Grundlage des Arbeitslosengeldes zu berechnen.
Die von dem Antragsteller vorgelegten Bewerbungsbemühungen seien zwar nicht ausreichend, es sei jedoch zu berücksichtigen, dass bei einer Arbeitgeberkündigung in der Regel nicht von einem nahtlosen Übergang in ein neues Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden könne. Erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne sich der Arbeitnehmer um eine neue Stelle bemühen.
Im Juni 2009 habe er eine Umschulung begonnen, die auf einen Zeitraum von drei Monaten angelegt gewesen sei. Gerade bei einer verschärften Unterhaltsverpflichtung müsse eine Umschulung in der Regel zurückgestellt werden (Johannsen/Büttner, Eherecht, 4. Aufl., § 1381 BGB Rz. 77).
Das Interesse eines unterhaltspflichtigen Elternteils, unter Zurückstellung bestehender Erwerbsmöglichkeiten eine Aus- oder Weiterbildung aufzunehmen, habe grundsätzlich hinter dem Unterhaltsinteresse seiner Kinder zurückzutreten. Auch wenn es sich bei den Maßnahmen um solche handele, die dazu dienten, erstmals eine abgeschlossene Berufsausbildung zu erlangen, rechtfertige sich grundsätzlich keine andere Beurteilung. Zwar gehöre die Erlangung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen. Einer solchen Erstausbildung sei unter Umständen Vorrang auch ggü. der Obliegenheit zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung des Kindes...