Gesetzestext

 

Die Mitgliedstaaten können in ihren nationalen Rechtsvorschriften die Möglichkeit für ihre Gerichte vorsehen, die Bediensteten ihrer diplomatischen oder konsularischen Vertretungen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats und innerhalb ihres Akkreditierungsbereichs aufzufordern, im Rahmen eines bei den Gerichten des von ihnen vertretenen Mitgliedstaats anhängigen Verfahrens — sofern keine besonderen Umstände vorliegen — ohne vorheriges Ersuchen in den Räumlichkeiten der diplomatischen oder konsularischen Vertretung eine Beweisaufnahme in Form einer Vernehmung von Staatsangehörigen des von ihnen vertretenen Mitgliedstaats auf freiwilliger Basis und ohne den Einsatz von Zwangsmaßnahmen durchzuführen. Der aufgeforderte Bedienstete der diplomatischen oder konsularischen Vertretung erledigt das Ersuchen nach Maßgabe des Rechts seines Mitgliedstaats.

 

Rn 1

Die Norm regelt erstmals die Möglichkeit einer Vernehmung durch Bedienstete diplomatischer oder konsularischer Vertretungen. Die Mitgliedsstaaten können ihren Gerichten gestatten, Bedienstete der konsularischen oder diplomatischen Vertretungen mit der Vernehmung von Beweispersonen zu beauftragen, ohne dass es dafür eines Ersuchens an die Behörden des Aufenthaltsstaates bedarf. Die Gestattung für Deutschland findet sich in § 1072 Nr 3, ist dort allerdings beschränkt auf begründete Ausnahmefälle (s auf § 1072 Rn 2).

 

Rn 2

Der Anwendungsbereich ist auf eigene Staatsangehörige beschränkt, wobei es ausreicht, dass die Beweisperson auch die Staatsangehörigkeit des vertretenen Staates hat. Die Vernehmung muss außerdem ohne den Einsatz von Zwangsmaßnahmen möglich sein. Die Regelung ist auf Personalbeweise beschränkt (Knöfel RIW 21, 247, 256).

 

Rn 3

Die Vernehmung soll in den Räumlichkeiten der diplomatischen oder konsularischen Vertretung stattfinden, in Ausnahmefällen (zB bei schwerer Erkrankung der Beweisperson) ist aber auch eine Vernehmung außerhalb dieser Räumlichkeiten möglich (s Erw 25). Das Prozessgericht und den Parteien kann gestattet werden, sich zu einer solchen Vernehmung im Wege der Videokonferenz zuzuschalten (vgl Kohake DRiZ 21, 378, 379); davon sollte das Gericht nach Möglichkeit Gebrauch machen, um einen möglichst umfassenden Eindruck der Beweisperson und der Aussage zu erhalten (Windau jM 21, 178, 184).

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