Gesetzestext
Gerichtliche Schriftstücke können Personen mit Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat unmittelbar durch Postdienste per Einschreiben mit Empfangsbestätigung oder mittels eines gleichwertigen Nachweises zugestellt werden.
Rn 1
Die direkte Zustellung per Post ist in alle Mitgliedstaaten unterschiedslos zulässig, was für die Praxis einen großen Fortschritt darstellt. Alle Zustellungsarten der EuZVO sind gleichwertig (EuGH NJW 06, 975, 976). Ob das Gericht gem Art 8 ff oder gem. Art 18 zustellt, entscheidet es nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl BGH NJW 03, 2803); dabei ist die Postzustellung weder subsidiär noch im Regelfall vorrangig (so aber Gebauer/Wiedmann/Sujecki Rz 6), da die praktische Erfahrung zeigt, dass der Rückschein häufig nicht oder nicht ausgefüllt zurückgesandt wird. Eine Anregung des Antragstellers wird iRd Ermessensausübung zu berücksichtigen sein. Gerade in eiligen Fällen kann es sinnvoll sein, mehrere Zustellungsformen kumulativ zu wählen (ebenso Rauscher/Heiderhoff Rz 2); dann ist die zuerst erfolgreiche maßgebend (EuGH aaO).
Rn 2
Die Möglichkeit einer Zustellung durch Postdienste steht nur den Übermittlungsstellen iSd Art 3 offen, nicht für die Zustellung im Parteibetrieb, für die Art 20 vorrangig ist (Frankf NJW-RR 22, 211 [OLG Frankfurt am Main 03.11.2021 - 6 W 95/21]; Zö/Geimer Rz 4). Für die Anwendbarkeit des Art 18 ist daher entscheidend, ob der jeweilige Absender in seinem Staat als Übermittlungsstelle iSd Art 2 benannt ist, wie zB bis zum Brexit in Schottland die accredited solicitors.
Rn 3
Wegen Art 12 VII gelten auch hier die Regeln des Art 12 I–III. Gerade bei Postzustellungen ist besonders darauf zu achten, dass das Formblatt L in Anhang I in den in Art 12 II genannten Sprachen beigefügt wird.
Rn 4
Die Zustellung wird durch den vom Empfänger oder dessen Vertreter unterschriebenen Rückschein nachgewiesen. Für die Zulässigkeit einer Ersatzzustellung verweist Erw 30 auf die Henderson-Entscheidung des EuGH (EuGH 2.3.17 – C-354/15).
Rn 5
Ein gleichwertiger Beleg ist ein solcher, aus dem der tatsächliche Empfang des Schriftstücks hervorgeht, zumindest aber diesbezüglich ›gleichwertige Garantien in Bezug auf Informationen und Beweise bietet‹ (EuGH 2.3.17 – C-354/15 Rz 99 = ECLI:EU:C:2015:354). Dazu gehören auch elektronische Zustellbestätigungen, die den Namen des Empfängers und den Zustellzeitpunkt ausweisen (s § 183). Nicht ausreichend ist ein Postvermerk über die bloße Möglichkeit zur Abholung der Sendung (Frankf MDR 23, 726 [OLG Frankfurt am Main 21.02.2023 - 26 Sch 11/22], aA LG Trier NJW-RR 03, 287 [LG Trier 17.10.2002 - 7 HKO 140/01]; Zö/Geimer Rz 3).