Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
Rn 6
Die Formerfordernisse des Art 25 enthalten eine abschließende Regel, die ergänzendes nationales Recht ausschließt (Rn 3). Die Formerfordernisse gelten für den Abschluss der Vereinbarung selbst. Inwieweit die Gerichtsstandsvereinbarung weitere Wirkungen entfaltet, ist eine Frage von Auslegung und Inhalt. Deshalb kann eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten Dritter gelten, ohne dass durch den Dritten (oder ihm ggü) die Form gewahrt werden muss (EuGH Slg 83, 2503). Nichts anderes gilt für andere Fälle der Sonderrechtsnachfolge oder für die Übertragung von Rechten und Pflichten aus der Gerichtsstandsvereinbarung auf Dritte (vgl EuGH Slg 84, 2417).
Rn 7
Für den schriftlichen Abschluss ist grds die Unterzeichnung erforderlich; anders als nach § 126 BGB muss diese aber nicht unter demselben Dokument erfolgen (BGH NJW 01, 1731 [BGH 22.02.2001 - IX ZR 19/00]). Es genügt aber die Einfügung der Gerichtsstandsvereinbarung in einen Rahmenvertrag oder in einen Ursprungsvertrag, sofern die Parteien diesen nach dem anwendbaren Vertragsrecht wirksam – auch mündlich – in Bezug genommen oder verlängert haben (EuGH Slg 86, 3337). Nach Auffassung des BGH soll sogar die Unterschrift nur einer Partei genügen, sofern sich aus den Gesamtumständen (Unterschrift nur des Käufers unter den bereits ausgehandelten und anschließend beiderseits zeitnah vollzogenen Vertrag) sicher eine Einigung beider Parteien auf den niedergelegten Text ergebe (BGH RIW 2017, 229; krit Pfeiffer IWRZ 17, 133; Dörner LMK 17, 388798). Im Falle der AGB-Verwendung liegt ein schriftlicher Abschluss vor, wenn der unterzeichnete Vertragstext ausdrücklich auf die AGB mit Gerichtsstandsvereinbarung (nicht notwendig auf die Gerichtsstandsklausel selbst) verweist (EuGH Slg 76, 1831). Der Verweis muss so deutlich sein, dass ihm eine Partei bei Anwendung üblicher Sorgfalt nachgehen kann; außerdem müssen die AGB der anderen Vertragspartei tatsächlich zugegangen sein (EuGH C-222/15 Rz 40). Derselbe Maßstab gilt generell bei Verweis auf andere Dokumente (EuGH Slg 76, 1831; BGH NJW 96, 1819 [BGH 28.03.1996 - III ZR 95/95]). Ein Verweis erst auf der Rechnung genügt nicht (EuGH C-64/17 Rz 28 f). Bei Gerichtsstandsklauseln in Konnossementen wirkt die dort enthaltene Klausel gegen den Inhaber, wenn das Konnossement diesen bindet (EuGH Slg 00, I-9337). Nichts anderes gilt bei Gerichtsstandsklauseln in Emissionsprospekten: Der Vertrag des Emittenten mit dem primären Vertragspartner muss in einer den vorstehenden Anforderungen genügenden Weise auf den Prospekt verweisen; weitere, sekundäre Erwerber müssen wirksam in die Vertragsposition des Primärerwerbers eingetreten sein (EuGH C-366/13). Bei Gerichtsstandsklauseln in Gesellschaftssatzungen werden die Erfordernisse des Art 25 dadurch erfüllt, dass die Gerichtsstandsklausel in der Satzung der Gesellschaft enthalten ist und diese an einem den Gesellschaftern zugänglichen Ort hinterlegt oder in einem öffentlichen Register enthalten ist (EuGH Slg 92, I-1745).
Rn 8
Elektronische Übermittlungen sind nach Abs 2 gleichgestellt. Hierfür reicht ein sog ›click wrapping‹ aus, bei dem im Falle des Vertragsschlusses über die Webseite des Anbieters der Vertragspartner die Geltung der AGB mit Gerichtsstandsklausel durch ein Anklicken bestätigt, sofern diese über einen Link auf dieser Seite zugänglich sind und gespeichert sowie ausgedruckt werden können; ein automatisches Öffnen des Links zu den AGB ist nicht erforderlich (EuGH C-322/14). Auch ohne eine Klickbestätigung wird eine Gerichtsstandsklausel aber wirksam vereinbart, wenn die Webseite des Anbieters einen (bei üblicher Sorgfalt) hinreichend deutlichen Hinweis auf die AGB samt funktionsfähigem Hyperlink zu deren Text enthält, sofern der Vertragspartner die Klausel dadurch lesen, herunterladen und ausdrucken kann; auf eine zusätzliche Information oder den tatsächlichen Zugang des Klauseltextes kommt es unter diesen Voraussetzungen nicht an (EuGH ECLI:EU:C:2022:923 Rz 45 ff).
Rn 9
Für eine halbschriftliche Gerichtsstandsvereinbarung (mündlich mit schriftlicher Bestätigung) ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Gerichtsstandsvereinbarung bereits mündlich getroffen wurde (EuGH Slg 85, 2699); die schriftliche Bestätigung ersetzt nicht den erforderlichen vorhergehenden mündlichen Konsens (EuGH Slg 76, 1851). Fehlt es an einer mündlichen Einigung oder an einem hinreichenden stillschweigenden Konsens, dann muss die auf die AGB mit Gerichtsstandsklausel verweisende ›Bestätigung‹ ihrerseits angenommen werden, um den erforderlichen Konsens zu begründen. Das bloße Ausbleiben eines Widerspruchs genügt für den bei halber Schriftlichkeit erforderlichen Konsens nicht (EuGH Slg 76, 1851). Welche der Parteien die Bestätigung erklärt (die durch die Vereinbarung begünstigte oder die andere Seite) ist gleichgültig (EuGH Slg 85, 2699 Rz 14 u 16; Slg 86, 3337 Rz 9).
Rn 10
Für die Wahrung der Form gem einem Handelsbrauch muss dieser im Bereich des internationalen Handelsverkehrs gelten, ...