Prof. Dr. Caroline Sophie Rupp
Gesetzestext
(1) Abgesehen von Entscheidungen in Ehesachen sowie von Entscheidungen nach § 1 Absatz 2 des Adoptionswirkungsgesetzes werden ausländische Entscheidungen anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.
(2) 1Beteiligte, die ein rechtliches Interesse haben, können eine Entscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer ausländischen Entscheidung nicht vermögensrechtlichen Inhalts beantragen. 2§ 107 Abs. 9 gilt entsprechend. 3Für die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer Annahme als Kind gelten jedoch die Bestimmungen des Adoptionswirkungsgesetzes, wenn der Angenommene zur Zeit der Annahme das 18. Lebensjahr nicht vollendet hatte.
(3) 1Für die Entscheidung über den Antrag nach Absatz 2 Satz 1 ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk zum Zeitpunkt der Antragstellung
1. |
der Antragsgegner oder die Person, auf die sich die Entscheidung bezieht, sich gewöhnlich aufhält oder |
2. |
bei Fehlen einer Zuständigkeit nach Nummer 1 das Interesse an der Feststellung bekannt wird oder das Bedürfnis der Fürsorge besteht. |
2Diese Zuständigkeiten sind ausschließlich.
A. Anwendungsbereich.
Rn 1
§ 108 regelt die Anerkennung ausl Entscheidungen, die nicht Ehesachen iSd § 107 oder nach § 1 II AdWirkG eine Anerkennungsfeststellung durch das Familiengericht erfordernde ausländische Adoptionsentscheidungen sind. Vor dem 1.4.21 eingeleitete Verfahren zur Anerkennung ausländischer Adoptionsentscheidungen unterliegen weiterhin der aF des § 108 sowie des AdWirkG (§ 9 AdWirkG).
I. Vorrangige Rechtsakte.
Rn 2
Nach § 97 I 1 in ihrem Anwendungsbereich vorrangige Staatsverträge:
- Sorgerechtliche Schutzmaßnahmen für Kinder m gewöhnl Aufenthalt in einem Vertragsstaat sind nach dem KSÜ in anderen Vertragsstaaten grds automatisch anzuerkennen, Art 23 ff KSÜ. Für fakultative Anerkennungsfeststellungsverfahren (Art 24 KSÜ) greifen § 32 iVm §§ 16 ff IntFamRVG. Das MSA normiert in Art 7 S 1 MSA eine Anerkennungspflicht für Maßnahmen aus Vertragsstaaten, wobei zu vollstreckende Maßnahmen nach autonomem bzw staatsvertraglichem IZVR anzuerkennen sind (Art 7 S 2 MSA).
- Die Anerkennung v Sorgerechtsentscheidungen zwischen Vertragsstaaten regeln Art 7 ff EuSorgeRÜ, Ausführungsbestimmungen dazu enthalten § 32 iVm §§ 16 ff IntFamRVG. Die Anerkennung nach anderen Regeln ist nicht ausgeschlossen (Art 19 EuSorgeRÜ).
- Minderjährigenadoptionen aus HAdoptÜ-Vertragsstaaten werden nach Art 23 ff HAdoptÜ aufgrund Bescheinigung kraft Gesetzes anerkannt. Die Überprüfung der Bescheinigung regelt § 9 AdÜbAG. Ein Anerkennungsfeststellungsverfahren nach § 2 AdWirkG bleibt möglich (AG Düsseldorf FamRZ 18, 1423).
- Erwachsenenschutzmaßnahmen aus anderen Vertragsstaaten sind nach Art 22 ff ESÜ grds automatisch anzuerkennen, Details zum fakultativen Anerkennungsfeststellungsverfahren (Art 23 ESÜ) regeln §§ 8 ff ErwSÜAG.
- Die Anerkennung v Unterhaltsentscheidungen aus Island, Norwegen u der Schweiz richtet sich nach Art 32 ff LugÜ (Grundsatz der automatischen Anerkennung).
- Unterhaltsentscheidungen aus HaagUntÜ-Vertragsstaaten sind nach Art 19 ff HaagUntÜ anzuerkennen. In Altfällen können noch Art 4 ff HUVÜ maßgeblich sein.
Ferner können bilaterale Anerkennungs- u Vollstreckungsabkommen beachtlich sein (vgl MüKoFamFG/Rauscher § 97 Rz 38, § 108 Rz 8), etwa das deutsch-türkische Nachlassüb v 1929.
Rn 3
Nach § 97 I 2 vorrangig zu berücksichtigende europäische Rechtsakte:
- Art 30 ff Brüssel IIb-VO gelten für Entscheidungen sowie öffentliche Urkunden u vollstreckbare Parteivereinbarungen (Art 64 ff Brüssel IIb-VO) betr die elterliche Verantwortung (§ 99 Rn 3) aus anderen EU-MS (mit Ausnahme einstw Maßnahmen nach Art 15 Brüssel IIb-VO, EuGH NJW 10, 2861 [EuGH 15.07.2010 - Rs. C-256/09] – Purrucker = ECLI:EU:C:2010:437). Diese sind nach Art 30 I Brüssel IIb-VO grds automatisch anzuerkennen. Neben der Inzidentanerkennung (Art 30 V Brüssel IIb-VO) ist fakultativ ein Anerkennungsverfahren vorgesehen (Feststellungsentscheidung nach Art 30 III, IV Brüssel IIb-VO, Verfahren nach § 32 iVm §§ 16 ff IntFamRVG).
- Schutzmaßnahmen iSd EuGewSchVO sind nach Art 4 I EuGewSchVO im Durchsetzungsstaat automatisch anzuerkennen u vollstreckbar, wenn eine Bescheinigung nach Art 5 EuGewSchVO vorliegt.
- Art 16 ff EuUntVO sind vorrangig für Entscheidungen sowie gerichtliche Vergleiche u öffentliche Urkunden (Art 48 I EuUntVO) aus MS, wobei zwischen durch das HUntProt gebundenen (Art 17 ff EuUntVO) u nicht gebundenen (Art 23 ff EuUntVO) MS differenziert wird. Es gilt der Grundsatz der automatischen Anerkennung (Art 17 I, Art 23 EuUntVO).
- Nach Art 39 ff EuErbVO sind Entscheidungen aus anderen MS ohne besonderes Verfahren anzuerkennen. Für öffentliche Urkunden gilt Art 59 EuErbVO.
- Art 36 ff EuGüVO/EuPartVO regeln die grds automatische Anerkennung v Entscheidungen aus anderen teilnehmenden MS, öffentliche Urkunden unterliegen Art 58 EuGüVO/EuPartVO.
II. Autonomes Recht.
Rn 4
Die Anerkennung nach autonomem Recht erfasst alle anderen wirksamen ausländischen Entscheidungen (Rechtskraft nicht zwingend, BGHZ 118, 312, 318; offenlassend BGH NJW 19, 3575, 3578). G...