I. Anwendungsbereich.
Rn 3
§ 155a ist nach seinem Wortlaut ausdrücklich ausschließlich anwendbar für Anträge auf erstmalige Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern nach § 1626a II BGB; Sorgeanträge nach § 1671 II BGB sind nicht erfasst. Die Vorschrift des § 155a ist nicht anwendbar, wenn nicht miteinander verheiratete Eltern nach Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge und einer späteren Übertragung auf einen Elternteil erneut eine gemeinsame Sorge durch gerichtliche Entscheidung herbeiführen wollen oder wenn nach der Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater erstmals die Sorge gemeinsam ausgeübt werden soll. In diesen Fällen ist ein reguläres Sorgeverfahren auf Abänderung der Entscheidung nach § 1696 I 1 BGB durchzuführen, die nach § 166 I durchzuführen sind (vgl MüKoFamFG/Schumann § 155a Rz 5).
Rn 4
Ist ein früherer Antrag auf Übertragung der gemeinsamen Sorge zurückgewiesen worden und wird dieser wiederholt, soll das zweite Verfahren nach einer verbreiteten Ansicht ebenfalls an § 1696 BGB und nicht an § 1626a II BGB auszurichten sein mit der Folge, dass § 155a nicht anzuwenden ist. Dies wird unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung (BTDrs 13/4899, 109) insb damit begründet, dass jede Änderung an dem generellen Bedürfnis jedes Kindes nach Kontinuität und Stabilität seiner Lebens- und Erziehungsbedingungen gemessen werden soll. Eine einmal erfolgte Zuordnung der elterlichen Sorge soll nicht beliebig wieder aufgerollt werden können (zB jurisPK-BGB/Heilmann § 1696 Rz 16; Staud/Coester § 1696 Rz 55; Grüneberg/Götz § 1696 Rz 2 mwN; Dürbeck ZKJ 13, 330; Frankf FamRZ 14, 1120; KG FamRZ 11,122; Schlesw FamRZ 14, 1374; offengelassen von Brandbg FamRZ 15, 1203; aA zB Oldbg NJW Spezial 19, 70 mwN ›weil die bloße Beibehaltung des früheren Rechtszustands keine Entscheidung iSv § 1696 I BGB ist‹. Vorzugswürdig ist eine differenzierende Auffassung, wonach nach einer Zurückweisung des Antrags als unbegründet § 155a zwar keine Anwendung findet, die Vorschrift aber weiter anzuwenden ist, sofern das Gericht sich nicht inhaltlich mit der Begründetheit des Antrags befasst hat, also bei einer Zurückweisung des Antrags als unzulässig (Prütting/Helms/Hammer § 155a Rz 3). Nach einer vorherigen Zurücknahme des Antrags oder übereinstimmenden Erledigungserklärung findet ebenfalls keine Entscheidung in der Sache statt, sodass ein wiederholender Antrag nicht nach § 1696 I BGB zu entscheiden ist.
II. Einleitung des Verfahrens auf Antrag.
Rn 5
Das Verfahren wird gem § 1626a II 1 BGB ausschließlich auf Antrag eines Elternteils (§ 23) eingeleitet; er kann mithin auch von der Mutter des Kindes gestellt werden, um den ›vordergründig sorgeunwilligen‹ Vater in die elterliche Sorge einzubinden (BTDrs 17/11048, 16). In aller Regel wird aber der Vater einen Antrag stellen. Das setzt voraus, dass er der rechtliche Vater des Kindes ist, er also die Vaterschaft gem §§ 1592 Nr 2, 1594 ff BGB mit Zustimmung der Mutter anerkannt hat oder aber die Vaterschaft gem §§ 1592 Nr 3, 1600d BGB gerichtlich festgestellt worden ist. Ruht die Sorge der Mutter nach § 1751 I 1 BGB, weil sie das Kind zur Adoption freigegeben hat, ist der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen Sorge gem § 1671 III BGB als Antrag auf Übertragung der Alleinsorge nach § 1671 II BGB auszulegen.
Rn 6
Nach § 155a I 2 sind im Antrag das Geburtsdatum und der Geburtsort des Kindes anzugeben. Hieraus folgt, dass der Antrag zulässigerweise erst nach der Geburt des Kindes gestellt werden kann (MüKoFamFG/Schumann § 155a Rz 12; Dutta/Jacoby/Schwab/Zorn § 155a Rz 3; aA Bahrenfuss/Schlemm § 155a Rz 5), anders als eine Sorgeerklärung der Eltern, die gem § 1626b II BGB zwar schon vor der Geburt des Kindes abgegeben werden kann, aber ebenfalls erst mit der Geburt des Kindes Wirksamkeit entfaltet (zB PWW/Ziegler § 1626b Rz 2 mwN). Die Kenntnis des Geburtsdatums ermöglicht es dem Gericht, die ab Geburt des Kindes laufende Karenzfrist nach § 155a II 2 zu berechnen. Die Mitteilung des Geburtsortes ermöglicht in den Fällen des § 155a III, V die Benachrichtigung des für die Führung des Sorgeregisters zuständigen Jugendamts (BTDrs 17/11048, 23). Der Antrag muss aufgrund der Vermutung der Kindeswohldienlichkeit der gemeinsamen elterlichen Sorge (BTDrs 17/11048, 17) in Ausnahme zu der Soll-Vorschrift des § 23 I 1 nicht weiter begründet werden (Dutta/Jacoby/Schwab/Zorn § 155a Rz 3 mwN; Prütting/Helms/Hammer § 155a Rz 10; MüKoFamFG/Schumann § 155a Rz 13; J/H/A/Döll § 155a Rz 4; Zö/Lorenz § 155a Rz 3; auch Brandbg MDR 16, 32; aA Karlsr FamRZ 15, 948).
Rn 7
Der Antrag kann auch darauf gerichtet sein, dass die gemeinsame Sorge nur hinsichtlich einzelner Teilbereiche begründet wird, zB des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Eine Antragsfrist besteht nicht; er kann im Zeitraum zwischen der Geburt des Kindes und dessen Volljährigkeit gestellt werden. § 1626a II BGB gilt auch für Kinder, die bereits vor Inkrafttreten der Vorschrift geboren wurden (BTDrs 17/11048, 16).
Rn 8
Für die Zulässigkeit des Antrags ist nicht erforder...