1. Keine Abhilfeentscheidung des Ausgangsgerichts (Abs 1 S 3).
Rn 8
Gem Abs 1 S 3 ist das Gericht nicht zur Abhilfe befugt; es hat die Akte unverzüglich dem Beschwerdegericht zuzuleiten. Die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage der Akten an das Beschwerdegericht soll den Zeitverlust durch die Aktenanforderung vermeiden (BTDrs 18/9092, 18). Die Vorlage der Akte an das Beschwerdegericht soll jedoch gerade keinen Stillstand des Verfahrens zur Folge haben; das wäre im Hinblick auf Sinn und Zweck des Rüge- und Beschwerdeverfahrens kontraproduktiv. Die Gesetzesbegründung weist deshalb ausdrücklich darauf hin, dass das Gericht ›nicht zwangsläufig gehindert‹ sei, ›das Ausgangsverfahren – etwa unter Anlegung eines Aktendoppels – fortzuführen und insb bereits begonnene Maßnahmen durchzuführen‹. Hiervon sollte Gebrauch gemacht werden, um in ›faktischer Abhilfe‹ der Beschwerde (vgl Prütting/Helms/Hammer § 155c Rz 10) das Verfahren weiter beschleunigt voranzutreiben.
2. Zuständiges Beschwerdegericht (Abs 2).
Rn 9
Das nach Abs 2 zuständige Beschwerdegericht ist bei einer Entscheidung des AG das ihm übergeordnete OLG (§ 119 I Nr 1 lit a GVG). Hat ein Senat des OLG oder des BGH den Beschluss gefasst, sind die Akten dem nach dem Geschäftsverteilungsplan zur Entscheidung berufenen Senat des Gerichts vorzulegen, § 155c II 2. Die Entscheidung muss durch den Senat ergehen; die Übertragung der Beschwerdesache auf einen Einzelrichter ist nicht vorgesehen; eine Verweisung auf § 68 IV fehlt (krit Keuter FamRZ 16, 1817, 1822; Heilmann/Salgo FamRZ 16, 432, 434; vgl auch MüKoFamFG/Schumann § 155c Rz 11).
3. Entscheidung des Beschwerdegerichts (Abs 3).
a) Unverzügliche Entscheidung (Abs 3 S 1).
Rn 10
Das Beschwerdegericht hat gem Abs 3 S 1 nach Eingang der Akten unverzüglich nach Aktenlage zu entscheiden; die Beschwerdeentscheidung ›soll‹ spätestens nach einem Monat ergehen. Die Entscheidung ergeht mithin (abweichend von § 68 III) regelmäßig ohne persönliche Anhörung der Verfahrensbeteiligten; diesen sollte vor einer Entscheidung rechtliches Gehör gegeben werden (Art 103 GG), sofern dies nicht zu einer weiteren, nicht tragbaren, Verzögerung führt (BTDrs 18/9092, 19; MüKoFamFG/Schumann § 155c Rz 12; Prütting/Helms/Hammer § 155c Rz 14; weitergehend Sternal/Schäder § 155c Rz 10: zwingend).
b) Unzulässige Beschwerde (Abs 3 S 2).
Rn 11
Mit der in Abs 3 S 2 enthaltenen Verweisung auf § 68 II soll klargestellt werden (BTDrs 18/9092, 19), dass das Beschwerdegericht zunächst die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschleunigungsbeschwerde, also die Statthaftigkeit, sowie Wahrung der Form und Frist zu überprüfen hat. Das betrifft insb die Beschwerdebefugnis (vgl hierzu bereits oben Rn 3 f). Erweist sich die Beschwerde als unzulässig, ist sie ohne sachliche Prüfung als unzulässig zu verwerfen.
c) Zulässige Beschwerde – Sachprüfung (Abs 3 S 3).
Rn 12
Ist die Beschwerde zulässig, muss das Beschwerdegericht gem Abs 3 S 3 in eine Sachprüfung eintreten, in dem es festzustellen hat, ob die bisherige Dauer des Verfahrens dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 I entspricht. Dabei ist die gesamte Verfahrensdauer seit Anhängigkeit des Verfahrens in der ersten Instanz zu beurteilen; nichts anderes gilt, wenn die Beschwerde gegen eine Rügeentscheidung in der zweiten Instanz erhoben wird (Prütting/Helms/Hammer § 155c Rz 16; Sternal/Schäder § 155b Rz 8). Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren sind unabhängig voneinander zu beurteilen (Prütting/Helms/Hammer § 155c Rz 16).
Rn 13
Es ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, dh, es ist eine Gesamtabwägung aller verfahrens- und sachbezogenen Faktoren sowie der subjektiven, personenbezogenen Umstände vorzunehmen (Braunschw FamRZ 14, 59 zu § 198 GVG). Das Gericht muss eine hier relevante Verzögerung des Verfahrens unter Abwägung aller Faktoren (Gegenstand des Verfahrens, Alter und [insb psychische] Verfassung des Kindes, Komplexität des Falles, Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer auf alle Beteiligten und die Gründe für die Verzögerung [Verfahrensführung und -förderung durch das Gericht, Verhalten der Beteiligten]) prüfen, ob die Rüge im konkreten Fall berechtigt ist (MüKoFamFG/Schumann § 155b Rz 10; Prütting/Helms/Hammer § 155b Rz 19; Dutta/Jacoby/Schwab/Müller § 155b Rz 12; Keuter FamRZ 16, 1817, 1821; BGH FamRZ 14, 933; Bremen FamRZ 18, 450). Ob die Verfahrensdauer angemessen ist, beurteilt sich nach der definierten Gesamtverfahrensdauer. Bei geringfügigen Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten, die gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht fallen, kommt daher eine Geldentschädigung oder eine sonstige Wiedergutmachung regelmäßig nicht in Betracht (BGH MDR 14, 832; Hamm FamRZ 23, 974).
Rn 14
Wegen des dem Gericht bei seiner Verfahrensführung zukommenden Gestaltungsspielraums geht es nicht um die Überprüfung der Richtigkeit der Verfahrensführung des Gerichts, sondern die Beachtung des Vorrang- und Beschleunigungsgebots des § 155 I durch eine daran ausgerichtete Verfahrensförderung (Frankf FamRZ 20, 1117; Karlsr FamRZ 20, 1214; Stuttg FuR 18, 267)Die Gesetzesbegründung betont, dass nicht von dem Maßstab eines ›idealen Richters‹ auszugehen ist, sondern vielmehr anhand des konkreten Einzelfalles ein objektiver Maßstab anzulegen ist (BTDrs 18/9092, 19 Ste...