Gesetzestext
(1) Das Gericht soll in Kindschaftssachen, die die elterliche Sorge bei Trennung und Scheidung, den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Es weist auf Möglichkeiten der Beratung durch die Beratungsstellen und -dienste der Träger der Kinder- und Jugendhilfe insbesondere zur Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge und der elterlichen Verantwortung hin. Das Gericht kann anordnen, dass die Eltern einzeln oder gemeinsam an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung bei einer von dem Gericht benannten Person oder Stelle teilnehmen und eine Bestätigung hierüber vorlegen. Es kann ferner anordnen, dass die Eltern an einer Beratung nach Satz 2 teilnehmen. Die Anordnungen nach den Sätzen 3 und 4 sind nicht selbständig anfechtbar und nicht mit Zwangsmitteln durchsetzbar.
(2) Erzielen die Beteiligten Einvernehmen über den Umgang oder die Herausgabe des Kindes, ist die einvernehmliche Regelung als Vergleich aufzunehmen, wenn das Gericht diese billigt (gerichtlich gebilligter Vergleich). Das Gericht billigt die Umgangsregelung, wenn sie dem Kindeswohl nicht widerspricht.
(3) Kann in Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, eine einvernehmliche Regelung im Termin nach § 155 Abs. 2 nicht erreicht werden, hat das Gericht mit den Beteiligten und dem Jugendamt den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erörtern. Wird die Teilnahme an einer Beratung, an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder einer sonstigen Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung oder eine schriftliche Begutachtung angeordnet, soll das Gericht in Kindschaftssachen, die das Umgangsrecht betreffen, den Umgang durch einstweilige Anordnung regeln oder ausschließen. Das Gericht soll das Kind vor dem Erlass einer einstweiligen Anordnung persönlich anhören.
A. Allgemeines.
Rn 1
Kinder sind nicht nur durch den Elternstreit, sondern auch durch das Gerichtsverfahren erheblichen Belastungen ausgesetzt. Sie müssen eine Anhörung durch ihnen fremde Richter (im Beschwerdeverfahren regelmäßig durch den gesamten Senat, vgl BGH FuR 10, 454), den Verfahrensbeistand, die mit dem Gerichtsverfahren verbundenen Ermittlungen des Jugendamts und ggf eines Sachverständigen über sich ergehen lassen. Die Belastungen können fortbestehen, wenn streitig ergangene Entscheidungen später mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden müssen (vgl BTDrs 13/4899, 133). Vor diesem Hintergrund sieht das Gesetz die Verpflichtung des Gerichts zur Förderung einer einvernehmlichen Konfliktlösung durch die Eltern mit dem Ziel einer Streitbeilegung außerhalb des Gerichts vor. Es entspricht damit dem verfassungsrechtlich in Art 6 II 1 GG gewährleisteten Gebot der Elternautonomie, aus dem sich das gesetzgeberische Ziel ableitet, die Eltern zu einer selbstständigen Konfliktbewältigung und -lösung anzuleiten. § 156 ist die das Hinwirken auf Einvernehmen regelnde zentrale Vorschrift, der Vermittlungsauftrag an das Gericht findet sich auch in § 165 I 1.
Rn 2
Die gesetzliche Verpflichtung des Gerichts, auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinzuwirken, war schon in der iRd Kindschaftsrechtsreformgesetzes neu aufgenommenen Vorschrift des § 52 FGG aF enthalten. Die Vorschrift des § 156 übernimmt diese Verpflichtung, wobei Abs 1 S 1 und 2 im Wesentlichen § 52 FGG aF entspricht. Allerdings beschränkt sich der Anwendungsbereich der Vorschrift nun auf die in Abs 1 genannten Verfahren; wohingegen § 52 FGG aF auf die ›die Person eines Kindes betreffenden Verfahren‹ anwendbar war, § 52 I FGG aF. Die Vorschrift des § 156 wurde aufgrund Art 3 Nr 10 des Gesetzes zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung (BGBl I 2012, 1577) in Abs 1 S 3–5 und Abs 3 S 2 mWz 26.7.12 neu gefasst.
B. Die Vorschrift im Einzelnen.
I. Anwendungsbereich.
Rn 3
Die Vorschrift findet Anwendung in Verfahren, die
betreffen.
Rn 4
Verfahren wegen Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a I Nr 3, II BGB sind unmittelbar nicht erfasst, weil sich die Frage der gemeinsamen Sorge regelmäßig nicht ›bei Trennung‹ stellt. Dennoch ist eine entsprechende Anwendung von § 156 geboten, sofern nicht ein vereinfachtes Verfahren nach § 1626a II 2 BGB, 155a III durchgeführt wird (vgl Dutta/Jacoby/Schwab/Zorn § 156 Rz 5; Prütting/Helms/Hammer § 156 Rz 10; MüKoFamFG/Schumann § 156 Rz 6).
Rn 5
Nicht erfasst sind Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB, die vAw zu treffende Maßnahmen zum Gegenstand haben und in denen keine Dispositionsbefugnis der Beteiligten besteht; für diese Verfahren g...