Rn 15a

Abs 2 enthält nunmehr die Voraussetzungen, unter denen die Bestellung eines Verfahrensbeistands zwingend erforderlich ist. Hierbei handelt es sich um besonders grundrechtsrelevante Verfahren, bei denen eine tw oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a BGB ein Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 BGB oder eine Verbleibensanordnung nach § 1632 IV BGB in Betracht kommen. In diesen Fällen ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers stets davon auszugehen, dass ein Verfahrensbeistand zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes erforderlich ist. Die Regelung soll sicherstellen, dass die Bestellung in diesen Fällen nicht versehentlich unterbleibt (BTDrs 19/23707, 53).

1. Vollständige oder teilweise Entziehung der Personensorge nach §§ 1666, 1666a BGB (Abs 2 Nr 1).

 

Rn 15b

In Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB ist die Bestellung eines Verfahrensbeistands regelmäßig erforderlich, wenn die tw oder vollständige Entziehung der Personensorge in Betracht kommt; die Verfahren betreffen regelmäßig die Zuordnung eines Kindes zu seiner Familie (BTDrs 13/4899, 131 zu § 50 FGG aF); der Gesetzgeber weist demzufolge auf die typischerweise erheblichen Folgen hin, die eine derartige Maßnahme für das Kind bedeuten. Eine Unterstützung des Kindes ist zum anderen auch deshalb geboten, weil mit der festgestellten Gefährdung des Kindeswohls regelmäßig der Vorwurf eines Fehlverhaltens gegenüber den Eltern oder einem Elternteil (zB durch Vernachlässigung, Missbrauch) einhergeht, was zu einer erheblichen Konfliktsituation für das Kind führt (BTDrs 16/6308, 238; BTDrs 13/4899, 131 zu § 50 FGG aF) und seine Interessenvertretung im Verfahren erfordert. Für die Bestellung eines Verfahrensbeistands reicht es aus, dass das eingeleitete Verfahren zum (Teil-)Entzug der elterlichen Sorge führen kann; dies muss noch nicht feststehen (Sternal/Schäder § 158 Rz 15 mwN). Nach der Gesetzesbegründung zu § 50 FGG (BTDrs 13/4899, 132) soll ausnahmsweise von der Bestellung eines Verfahrensbeistands abgesehen werden können, wenn zwischen den Beteiligten eines Verfahrens nach §§ 1666, 1666a BGB Einigkeit darüber besteht, dass eine andere Maßnahme als die Trennung des Kindes von seiner Familie nicht möglich ist und wenn auch die Anhörung des Jugendamts und des Kindes, das altersbedingt selbst zur Wahrnehmung seiner Interessen in der Lage ist, keine anderen Gesichtspunkte aufzeigt (vgl auch VerfG Potsdam FamRZ 11, 305). Ein solch umfassendes Einvernehmen wird aber nur selten zu Beginn des Verfahrens zu erzielen sein, sodass regelmäßig ein Verfahrensbeistand zu bestellen ist.

 

Rn 15c

Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist nicht ersichtlich, dass die Bestellung eines Verfahrensbeistands auch in einem Verfahren betreffend die Aufhebung des angeordneten Sorgeentzugs gem § 1696 II BGB erforderlich ist. Hier ist zu prüfen, ob dem Kind nach Abs 3 Nr 1 oder Nr 2 (oder schon nach dem Grundtatbestand des Abs 1 ein Verfahrensbeistand zu bestellen ist, wenn weiterhin erhebliche Interessenkollisionen bestehen [Prütting/Helms/Hammer § 158 Rz 32; Dutta/Jacoby/Schwab/Lack § 158 Rz 33]).

2. Ausschluss des Umgangsrechts (Abs. 2 Nr. 2).

a) Umgangsausschluss nach § 1684 BGB.

 

Rn 15d

Abs 2 Nr 2 ordnet nunmehr die zwingende Bestellung eines Verfahrensbeistands an, wenn der Ausschluss des Umgangs in Betracht kommt. Dies ist der Fall, wenn eine solche Maßnahme etwa vom Jugendamt oder einem Verfahrensbeteiligten gefordert oder durch das Gericht ernsthaft erwogen wird (Saarbr ZKJ 21, 465 [OLG Saarbrücken 23.06.2021 - 6 UF 58/21]). Der Ausschluss setzt eine drohende Gefährdung des Kindeswohls voraus, § 1684 IV 1, 2 BGB (vgl hierzu iE PWW/Ziegler § 1684 Rz 47 ff). Das Verfahren ist regelmäßig von einem schweren Grundkonflikt oder von Vorwürfen gegenüber dem Umgangsberechtigten geprägt und insoweit mit der von Nr 1 erfassten Konstellation vergleichbar (BTDrs 16/6308, 239).

b) Umgang mit anderen Bezugspersonen, §§ 1685, 1686a BGB.

 

Rn 15e

Nicht von Abs 2 Nr 2 erfasst sind (schon nach dem nunmehr ausdrücklichen Wortlaut) Verfahren, die die erstmalige Regelung des Umgangs des Kindes mit anderen Bezugspersonen gem § 1685 BGB oder auch § 1686a BGB wegen fehlender Kindeswohldienlichkeit ablehnen; die hier ausnw zulässige Zurückweisung des Antrags (BGH FuR 17, 606) ist nicht mit einer Beschränkung oder einem Ausschluss des Umgangs iSv Abs 2 Nr 5 gleichzusetzen. Anders als beim Umgangsrecht der Eltern geht es nicht um die Ausgestaltung eines bestehenden Umgangsrechts, sondern es fehlen bereits die Voraussetzungen hierfür (BGH FuR 17, 606; aA noch Saarbr FamRZ 17, 1673; Frankf MDR 17, 1128). In diesen Verfahren kann die Bestellung eines Verfahrensbeistands jedoch bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 S 1 oder Abs 3 S 1 Nr 1 bzw Nr 4 in Betracht kommen (MüKoFamFG/Schumann § 158 aF Rz 12; Prütting/Helms/Hammer § 158 Rz 33; Oldbg ZKJ 18, 234; Celle ZKJ 11, 431; vgl auch Erman/Döll § 1685 Rz 5; Staud/Dürbeck § 1685 Rz 55). Von der Bestellung eines Verfahrensbeistands kann nicht deshalb abgesehen werden, weil das (erst 4 Jahre alte) Kind den umgangsberechtigten Vater nicht kennt und noch keinen Kontakt mit ihm hatte; gerade dann ist das Interesse des Kindes von einem (auch von den Vorstellungen der Mutter) un...

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