Gesetzestext
(1) In Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, soll das Gericht die Eltern persönlich anhören. In Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind die Eltern persönlich anzuhören.
(2) In sonstigen Kindschaftssachen hat das Gericht die Eltern anzuhören. Dies gilt nicht für einen Elternteil, dem die elterliche Sorge nicht zusteht, sofern von der Anhörung eine Aufklärung nicht erwartet werden kann.
(3) Von der Anhörung darf nur aus schwerwiegenden Gründen abgesehen werden.
(4) Unterbleibt die Anhörung allein wegen Gefahr im Verzug, ist sie unverzüglich nachzuholen.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen dem § 50a FGG aF und regelt die Anhörung der Eltern im Kindschaftsverfahren. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen der in Abs 1 geregelten Anhörung der Eltern in Verfahren, die die Person ihres Kindes betreffen (zwingende Anhörung in Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB) und der in Abs 2 geregelten Anhörung in Verfahren, die nicht die Person des Kindes betreffen; diese kann auch schriftlich erfolgen (BTDrs 16/6308, 240). Das Gericht greift in Kindschaftssachen ganz besonders in das durch Art 6 II 1 GG geschützte Elternrecht ein. Ihre Anhörung dient demzufolge der Gewährung rechtlichen Gehörs. Daneben dient die Anhörung der Eltern auch der Sachverhaltsaufklärung iRd gem § 26 vom Gericht zu leistenden Amtsermittlung: Dabei geht es nicht nur um die Prüfung der Richtigkeit bestimmter Tatsachen, sondern insb um die Gewinnung eines persönlichen Eindrucks von den Eltern (die zudem uU nicht ausreichend gewandt sind, ihre Auffassung schriftlich darzutun), um so ein besseres Verständnis für ihre Sicht der Dinge zu ermöglichen (Musielak/Borth/Frank/Frank § 160 Rz 1; Heilmann/Heilmann § 160 Rz 1; Sternal/Schäder § 160 Rz 1; MüKoFamFG/Schumann § 160 Rz 1; Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 2; BVerfG FamRZ 20, 1000; BGH FamRZ 85, 169; Saarbr FamRZ 10, 1680; Hamm FamRZ 89, 203; FamFR 11, 480; Frankf FamRZ 12, 571; Bremen ZKJ 15, 202).
Rn 2
Die in § 160 geregelte Anhörung der Eltern ist nicht mit einer Erörterung iSv § 32 I 1 nach §§ 155 II, 157 bzw für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §§ 51 II, 54 II gleichzusetzen, was insb für die Frage der Anfechtbarkeit einer einstweiligen Anordnung nach § 57 I 2 eine Rolle spielt (Frankf FamRZ 12, 571). Die Erörterung dient dem Austausch von Informationen und Rechtsansichten, dem Austausch über weitere Verfahrensschritte oder der Motivation der Eltern, sich zu einigen (vgl § 155 II iVm § 156 I) sowie – im Falle des § 157 – der warnenden Verdeutlichung einer möglichen Gefährdung des Kindes und einer Besprechung, wie und unter Inanspruchnahme welcher öffentlicher Hilfen der Gefährdung entgegengewirkt werden kann (Heilmann/Heilmann § 160 Rz 3; Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 3; MüKoFamFG/Schumann § 157 Rz 7, 10).
Rn 3
Anzuhören sind ›die Eltern‹; es kommt nicht darauf an, ob sie sorgeberechtigt sind oder nicht (Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 6; MüKoFamFG/Schumann § 160 Rz 3; FAKomm-FamR/Ziegler § 160 Rz 4; (ausdr für Einbenennungsverfahren gem § 1618 S 4 BGB: Saarbr FamRZ 22, 1196; Köln FamRZ 99, 530; Naumbg 2.9.11 – 8 UF 187/11, juris; Hamm FamRZ 11, 1889). Eine Ausnahme hiervon enthält Abs 2 S 2 in Verfahren betreffend das Vermögen des Kindes: Hier ist der Elternteil, dem die Sorge nicht zusteht, grds nicht anzuhören.
B. Die Vorschrift im Einzelnen.
I. Anwendungsbereich.
Rn 4
Die Vorschrift gilt in allen Kindschaftssachen nach § 151 Nr 1–5 und Nr 8, unabhängig davon, ob der Richter oder der Rechtspfleger zuständig ist. In Verfahren, die die freiheitsentziehende Unterbringung eines Kindes betreffen (§ 151 Nr 6 und 7) enthält § 167 I 1 iVm § 320 S 1 und § 167 IV eine abschließende Sonderregelung (Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 4; MüKoFamFG/Schumann § 160 Rz 3; FAKomm-FamR/Ziegler § 160 Rz 3; vgl zB für Umgangsverfahren nach § 1685 I BGB Kobl ZKJ 21, 65). Im vereinfachten Verfahren nach § 155a III ist die Vorschrift nicht anzuwenden, § 155a III 1. Für ein Verfahren betreffend die Anordnung des Ruhens der elterlichen Sorge nach § 1674 BGB sind die Anhörungsvorschriften nach §§ 159 ff zwingend zu beachten (Frankf FamRZ 15, 1521; Brandbg FamRZ 09, 237). Gleiches gilt im einstweiligen Anordnungsverfahren (vgl MüKoFamFG/Schumann § 160 Rz 3; Prütting/Helms/Hammer § 160 Rz 5), wenngleich bei Gefahr im Verzug vor Erlass einer einstweiligen Anordnung vorläufig abgesehen werden kann (vgl Abs 4). Auch im Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung eines Elternteils in die Einbenennung eines Kindes nach § 1618 S 4 BGB ist vor der Entscheidung grds auch der betroffene Elternteil persönlich anzuhören (vgl BGH ZFJ 00, 476; Bambg FamRZ 00, 691; Oldbg FamRZ 00, 693; Saarbr FamRZ 09, 1334: persönliche Anhörung auch des sorgeberechtigten Elternteils und der weiteren Beteiligten). Im familiengerichtlichen Genehmigungsverfahren nach § 2 I NamÄndG für einen nachfolgenden Antrag auf Namensänderung besteht gem § 2 II NamÄndG nur eine beschränkte Anhörungspflicht; die §§ 159, 160 FamFG finden hier keine Anwendung.
Rn 5
Die...