Rn 33
Neben der in § 167 I 1 enthaltenen Verweisung auf die Vorschriften der §§ 313 ff enthält § 167 I 2, 3 sowie in Abs 2–7 besondere Vorschriften für das Unterbringungsverfahren betreffend Minderjährige, die die allgemeinen Verfahrensvorschriften modifizieren.
1. Verfahrensbeistand, Abs 1 S 2 und 3.
Rn 34
An die Stelle des unter den Voraussetzungen des § 317 I für Volljährige zu bestellenden Verfahrenspflegers tritt für minderjährige Betroffene gem § 167 Abs 1 S 2 der Verfahrensbeistand. Gem § 167 I 3 ist nunmehr (eingefügt durch das Gesetz zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehalts für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern v 17.7.17, BGBl I, 2424; in Kraft seit dem 1.10.17) ausdr geregelt, dass der Verfahrensbeistand stets bestellt werden muss, also auch dann, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen nicht erforderlich erscheint. Diese Regelungen verdrängen den § 317 vollständig (Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 22). Abgesehen davon, dass es sich bei der Unterbringung eines Kindes und freiheitsentziehenden Maßnahmen um schwerwiegende Eingriffe in sein Recht auf persönliche Freiheit handelt, kann der Verfahrensbeistand – neben der Anhörung des Kindes – sicherstellen, dass das Familiengericht ein möglichst umfassendes Bild von dem Kind erhält (Götz FamRZ 17, 1289, 1292). Die Rechtsfolgen der Bestellung richten sich nach § 158b und § 158c; (MüKoFamFG/Heilmann § 167 Rz 26, 28 zu § 158 aF; Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 23). Die Bestellung des Verfahrensbeistands muss so früh wie möglich erfolgen (§ 158 I 2), damit dieser noch die Möglichkeit hat, auf die Gestaltung und den Ausgang des Verfahrens Einfluss zu nehmen. Die Bestellung erfolgt regelmäßig bereits mit der Einleitung des Verfahrens. Sie endet gem § 158 IV 1 regelmäßig mit Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung. Zur wünschenswerten Qualifikation eines Verfahrensbeistands in Unterbringungsverfahren wird auf Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 22a Bezug genommen.
2. Gegenseitige Unterrichtungspflicht (Abs 2).
Rn 35
Die Vorschrift entspricht § 313 IV und enthält die wechselseitige Verpflichtung zur Mitteilung bei unterschiedlicher Zuständigkeit von dem nach § 167 I für die Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringung bzw freiheitsentziehenden Maßnahme zuständigen Gericht und dem Gericht, bei dem eine Vormundschaft oder eine die Unterbringung oder freiheitsentziehende Maßnahme umfassende Pflegschaft eingerichtet ist. Die Gerichte haben sich wechselseitig über die in Abs 2 ausdr genannten Entwicklungen zu informieren, um sicherzustellen, dass beide Richter über die Entwicklung des betreuten Falles im Bilde bleiben (Sternal/Schäder § 167 Rz 20).
3. Verfahrensfähigkeit des Kindes (Abs 3).
Rn 36
Nach Abs 3 ist ein Minderjähriger ohne Rücksicht auf seine Geschäfts- und Einsichtsfähigkeit in Unterbringungsverfahren verfahrensfähig, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat. Die Vorschrift ersetzt die in § 316 enthaltene Regelung der Verfahrensfähigkeit des volljährigen Betroffenen, die aufgrund der in § 167 I 1 enthaltenen Verweisung Anwendung findet und ist lex specialis zu § 9 (MüKoFamFG/Heilmann § 167 Rz 33; Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 20, Haußleiter/Eickelmann § 167 Rz 10: Einschränkung von § 316). Weil ein Grundrechtsschutz gegen derart in die persönliche Rechtssphäre eingreifende gerichtliche Entscheidungen geboten ist und nicht von der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit im bürgerlich-rechtlichen Sinne abhängen kann, bestimmt § 167 III (in Anlehnung an § 59 FGG) die Verfahrensfähigkeit in Unterbringungssachen ohne Rücksicht auf die Geschäftsfähigkeit auf die Vollendung des 14. Lebensjahres (Staud/Salgo § 1631b Rz 35). Das 14 Jahre alte Kind kann selbst wirksam Erklärungen im Verfahren abgeben und ihm stehen die gleichen Verfahrensrechte zu wie den weiteren Beteiligten zu (MüKoFamFG/Heilmann § 167 Rz 35; Dutta/Jacoby/Schwab/Lack § 167 Rz 21). Insb sind ihm sämtliche Schriftstücke zu übermitteln (das Sachverständigengutachten und die Entscheidung nach Maßgabe von § 164 S 2).
4. Pflicht zur persönlichen Anhörung (Abs 4).
Rn 37
Die Vorschrift bestimmt zum Schutz der minderjährigen Betroffenen, dass die Elternteile, denen die Personensorge zusteht, der gesetzliche Vertreter in persönlichen Angelegenheiten und die Pflegeeltern persönlich anzuhören sind; das Gericht soll sich von diesen Personen einen persönlichen Eindruck verschaffen. Deshalb reicht eine nur schriftliche Anhörung nicht aus. Die Vorschrift ist lex specialis gegenüber den Bestimmungen zu §§ 312 ff, nach denen Eltern (eines betroffenen Volljährigen) nicht am Unterbringungsverfahren beteiligt werden müssen, sondern lediglich an diesem Verfahren beteiligt werden ›können‹, vgl § 315 IV (Naumbg FamRZ 10, 1919; Prütting/Helms/Hammer § 167 Rz 27). Die persönliche Anhörung ist zwingend (›sind‹); auch aus schwerwiegenden Gründen, wie zB Gefahr im Verzug, kann nicht davon abgesehen werden (FAKomm-FamR/Ziegler § 167 Rz 7; Naumbg FamRZ 10, 1919; aA Celle FamRZ 10, 1167). Durch die persönliche Anhörung sollen ua altersbedingte Kommunikationsschwierigkeiten vermieden und nicht sogleich ins Auge fallende Entwicklungsstörungen des B...