Rn 24
Nach Abs 1 soll das Gericht bei der Auswahl des Vormunds auch nahestehende Familienangehörige sowie Personen des Vertrauens des betroffenen Mündels anhören, wenn dies ohne erhebliche Verzögerungen möglich ist. Die Vorschrift übernimmt die bislang in § 1779 III 1 BGB aF geregelte Anhörungspflicht im gerichtlichen Verfahren zur Auswahl eines Vormunds und enthält eine Sonderregelung zu der Vorschrift des § 168c, die generell die gerichtliche Anhörungspflicht vor wichtigen, das Mündel betreffenden Entscheidungen regelt (vgl Prütting/Helms/Hammer § 168 Rz 22). Sie konkretisiert die dem Gericht obliegende Amtsermittlungspflicht.
Rn 25
Die Vorschrift ersetzt den in § 1779 III 1 BGB aF verwendeten Begriff ›Verwandte und Verschwägerte‹ durch den allgemeineren und umfassenderen Begriff ›nahestehende Familienangehörige‹. Dies soll verdeutlichen, dass das Familiengericht bei der Auswahl der anzuhörenden Personen nicht nur auf die Verwandtschaftsverhältnisse des Kindes und den Grad der Verwandtschaft abzustellen hat, sondern insb berücksichtigen soll, ob eine Person aufgrund ihrer tatsächlichen Nähe oder ihrer besonderen persönlichen Beziehung zu dem betroffenen Kind auch Auskunft über die im Bestellungsverfahren maßgeblichen Fragen geben kann (BTDrs 19/24445, 326). Die Auswahlentscheidung steht im Ermessen des Gerichts (vgl zB Heilmann/Dürbeck § 1779 BGB aF Rz 17).
Rn 26
Darüber hinaus soll das Gericht auch Personen des Vertrauens des Kindes anhören. Dabei handelt es sich um Personen, die – ohne dass ein familiäres Näheverhältnis besteht – eine vertrauensvolle Beziehung zu dem betroffenen Kind haben, aufgrund derer sie etwa über die Lebensumstände des Kindes, seinen Willen oder seine Bindungen, Aufschluss geben können (BTDrs 19/24445, 326). Es kommt nicht darauf an, dass das Kind eine solche Vertrauensperson ausdrücklich benannt hat (vgl BGH FamRZ 17, 552 zu § 274 IV Nr 1), Erkenntnisse über eine Vertrauensperson können sich insb aus der Anhörung des Kindes durch das Gericht oder aus einem Bericht des Verfahrensbeistands ergeben.
Rn 27
Von der Anhörung kann das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen absehen, wenn die Anhörung zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung führen würde, von der Anhörung keine Aufklärung erwartet werden kann (vgl § 160 II 2) oder andere schwerwiegende Gründe vorliegen (§ 160 III). Bei der Anhörung handelt es sich um ein Mittel des Freibeweises nach § 29. Eine besondere Form ist nicht vorgeschrieben; sie kann mündlich, schriftlich und auch unter Einschaltung einer anderen Behörde (zB eines auswärtigen Jugendamts) erfolgen (Staud/Veit § 1779 aF Rz 103). Das Gesetz verlangt insb keine mündliche Anhörung (vgl zB Heilmann/Dürbeck § 1779 BGB aF Rz 17).
Rn 28
Die genannten Anhörungspersonen können aus der Regelung des Abs 1 kein Recht ableiten, vom Familiengericht gehört zu werden. Denn die Anhörung erfolgt nicht in ihrem eigenen Interesse, sondern dient ausschließlich dem Wohl des Mündels, für den der am besten geeignete Vormund ausgewählt werden soll (Staud/Veit § 1779 BGB aF Rz 104). Sie sind aber auch nicht zur Erteilung der vom Familiengericht gewünschten Auskünfte verpflichtet, sofern sie nicht nach § 30 iR einer förmlichen Beweisaufnahme als Zeugen vernommen werden (Staud/Veit § 1779 BGB aF Rz 105).
Rn 29
Nach § 1779 III 2 BGB aF konnten die gerichtlich angehörten Verwandten und Verschwägerten des Mündels von diesem den Ersatz ihrer Auslagen verlangen. Diese Regelung wurde nicht übernommen, da die Kosten für die von dem Familiengericht iR seiner Amtsermittlungspflicht durchgeführten Anhörungen als Teil der Gerichtskosten zu betrachten sind (BTDrs 19/24445 S 326).