Gesetzestext
1Das Gericht hat einem minderjährigen Beteiligten in Abstammungssachen einen Verfahrensbeistand zu bestellen, sofern dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. 2Die §§ 158 bis 158c gelten entsprechend.
A. Allgemeines.
Rn 1
Weitgehend parallel zu § 158 für Kindschaftssachen sieht § 174 die Bestellung eines Verfahrensbeistands zur Wahrung der Interessen eines minderjährigen Beteiligten auch in Abstammungsverfahren iSd § 169 vor. Die Regelungen der §§ 158–158c finden gem S 2 aufgrund der gleichen Funktion des Beistands entsprechende Anwendung. Das Bedürfnis der Beiordnung eines Verfahrensbeistands ergibt sich häufig aus einer Interessenkollision in der Person des gesetzlichen Vertreters (Haußleiter/Eickelmann Rz 1).
B. Voraussetzungen der Bestellung.
Rn 2
Unerheblich ist, um welche der in § 169 genannten Abstammungssachen es sich handelt, sofern einer der Betroffenen minderjährig ist, also sowohl das Kind als auch Mutter und Vater (Sternal/Giers Rz 3). Voraussetzung ist die Erforderlichkeit der Bestellung des Beistands. In diesem Fall besteht für das Gericht eine Bestellungspflicht (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 5).
Rn 3
§ 158 II beinhaltet die Fallgruppen, in denen ein Verfahrensbeistand zwingend zu bestellen ist. Die Erforderlichkeit ist darüber hinaus in der Regel zu bejahen, wenn das Interesse des Kindes zu dem seiner gesetzlichen Vertreter in erheblichem Gegensatz steht (§ 158 III 1 Nr 1). Im Einzelfall ist daher das Vorliegen besonderer Gründe zu prüfen, die eine von der Regel abweichende Beurteilung rechtfertigen (Haußleiter/Eickelmann Rz 4, 5). Das Unterbleiben der Bestellung ist in der Endentscheidung zu begründen (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller Rz 6).
Rn 4
An der Erforderlichkeit kann es dagegen fehlen, wenn die sachgerechte Interessenwahrnehmung bereits durch das Jugendamt als Vertretung des Kindes nach § 1712 BGB oder die Tätigkeit eines Ergänzungspflegers gem § 1809 BGB gewährleistet wird (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 3). Mit der Abschaffung des § 158 V aF wird nicht mehr vermutet, dass die Interessen des Kindes durch einen Rechtsanwalt angemessen vertreten werden. § 158a stellt nunmehr konkrete Qualitätsanforderungen, weshalb die Voraussetzungen einer Bestellung allein mit einer juristischen Grundqualifikation nicht mehr erfüllt werden können (BTDrs 19/23707, 53).
C. Wirkung der Bestellung.
I. Rechtsstellung des Beistands.
Rn 5
Mit seiner Hinzuziehung wird der Verfahrensbeistand unmittelbar zum Verfahrensbeteiligten mit eigenen Rechten und Pflichten, §§ 174 S 2, 158b III. Die Wahrnehmung dieser Rechte erfolgt weisungsunabhängig und im Interesse des Minderjährigen, ohne dass es dabei – im Unterschied zur Beistandschaft des Jugendamts nach §§ 1712–1717 BGB – zu einer Vertretung kommt. Der Beistand ist nicht gesetzlicher Vertreter (§ 158b III 3). Aufgrund des Elternrechts und der darüber hinaus uU möglichen Interessenvertretung des Kindes durch verschiedene weitere Personen ist der Aufgabenkreis des Beistands beschränkt (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 8, 9).
II. Aufgaben und Befugnisse.
Rn 6
Dem Verfahrensbeistand obliegt die Feststellung und Geltendmachung der Interessen des Kindes in Bezug auf Abstammung und Elternzuordnung, die der Verfahrensbeistand in einer Stellungnahme schriftlich darstellen soll (§§ 174 S 2, 158b I 1, 2). Entscheidend ist das objektive Interesse des Kindes, das im Allgemeinen verlangt, die biologische Abstammung zu klären. Der Verfahrensbeistand kann die Interessen des Kindes nur dort zur Geltung bringen, wo ein Wertungsspielraum besteht. Dies ist bei der Aussetzung des Verfahrens nach § 169 Nr 2, § 1598a II, III BGB der Fall. Kindeswohlgesichtspunkte können außerdem gem § 1600a IV BGB sowie in Bezug auf Bestehen oder Fehlen der sozial-familiären Bindung an den Vater geltend zu machen sein (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 10).
Rn 7
Aufgabe des Beistands ist außerdem die geeignete Information des Kindes über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens (§ 158b I 3). Erst diese Unterstützung gewährleistet, dass das Kind das Verfahren versteht und sich einen verfahrensrelevanten Willen bilden kann. Was sich im Einzelfall als geeignet darstellt, muss der Beistand nach pflichtgemäßem Ermessen nach den Umständen entscheiden. Wesentliche Gesichtspunkte sind das Alter und die geistige Entwicklung des Kindes. Bei Kleinkindern ist eine solche Information gar nicht möglich. Der Schutz des Kindeswohls kann insb auch die Nichtaufklärung über Verfahrenseinleitung und Verfahrensziel gebieten, wenn anderenfalls dessen Beeinträchtigung oder eine Verunsicherung des Kindes zu erwarten ist. Seit dem 1.7.21 muss der Verfahrensbeistand auch eine Endentscheidung mit dem Kind erörtern (§ 158b I 4), was gerade in Abstammungsverfahren eine sensible Aufgabe sein kann.
Rn 8
Erkenntnisquellen für die Tätigkeit des Beistands sind Gespräche mit dem Minderjährigen selbst sowie die Bewertung der objektiven Umstände. Eigene Nachforschungen darf er nicht anstellen. Nur das Gericht kann zur Gesprächsführung mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen ermächtigen (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 9). Gle...