I. Beweisaufnahme nach den Vorschriften der ZPO.
Rn 9
§ 177 II ordnet eine förmliche Beweisaufnahme über die Abstammung entspr der Vorschriften der ZPO lediglich in echten Statussachen nach § 169 Nr 1 und 4 an. Die Notwendigkeit der Regelung ergibt sich aus der Einordnung des Abstammungsverfahrens als einfache Familiensache, die grds den Vorschriften der §§ 29, 30 unterfällt. Danach liegt die Entscheidung über eine förmliche Beweisaufnahme im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (§ 30 I), wenn eine solche nicht gesetzlich vorgesehen und damit zwingend ist. Die Regelung des § 177 II stellt daher einen Fall des § 30 II dar. Der Freibeweis nach § 29 ist ausgeschlossen (HK-ZPO/Kemper FamFG Rz 7; Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller Rz 2).
Rn 10
Hintergrund der Modifikation der Beweisregeln ist die weitreichende Bedeutung der Vaterschaftsfeststellung bzw Anfechtung für die Beteiligten sowie das öffentliche Interesse an Statuswahrheit und Statusbeständigkeit, sodass eine Übereinstimmung von gerichtlicher Feststellung und biologischer Abstammung zwingend geboten ist (Sternal/Giers Rz 2).
Rn 11
Demzufolge sind die allgemeinen Vorschriften über die Beweisaufnahme nach den §§ 355 ff ZPO, hier insb die Bestimmungen zur Abfassung eines Beweisbeschlusses nach den §§ 358–360 ZPO, zum Zeugenbeweis nach den §§ 373 ff ZPO und zur Beweiserhebung durch Sachverständige nach den §§ 402 ff ZPO anzuwenden (Musielak/Borth/Borth/Grandel Rz 8). Für die Einholung eines Abstammungsgutachtens kann zwecks Identitätssicherung im Einzelfall eine Probenentnahme durch den Sachverständigen selbst in gleichzeitiger Anwesenheit aller Beteiligten gerichtlich angeordnet werden (Oldbg BeckRS 21, 17630 Rz 4). Wegen der Natur des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit unanwendbar sind die Vorschriften der §§ 371, 403, 420, 296, 379, 402 ZPO (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller Rz 2). Die Mitwirkungspflichten der Beteiligten nach § 27 I bleiben unberührt (MüKoFamFG/Coester-Waltjen/Lugani Rz 9).
II. Ausnahme vom Erfordernis des Strengbeweises.
Rn 12
Aus Gründen der Verfahrensökonomie besteht die Möglichkeit, die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Verwendung eines privaten Abstammungsgutachtens zu ersetzen. Dies betrifft in erster Linie bereits vorhandene Gutachten, die iR eines vorausgegangenen Vaterschaftsklärungsverfahrens nach § 1598a BGB eingeholt wurden (HK-ZPO/Kemper FamFG Rz 8).
Rn 13
Erforderlich ist, dass die Einholung des privaten Gutachtens ursprünglich mit Einwilligung der Beteiligten erfolgte und deren Einverständnis hinsichtlich der Verwertung im Abstammungsverfahren vorliegt. Darüber hinaus darf das Gericht keine Zweifel an der Richtigkeit der dort getroffenen Feststellungen hegen (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller Rz 2).
Rn 14
Die Verwendung des Gutachtens setzt ferner voraus, dass es inhaltlich mit der ›Richtlinie der Gendiagnostikkommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Analysen zur Klärung der Abstammung‹ übereinstimmt und dabei insb die Identitätssicherung nach IV der Richtlinie gewährleistet ist (HK-ZPO/Kemper FamFG Rz 8).