Rn 1
Die Abänderbarkeit von rechtskräftigen VA-Entscheidungen ist verfassungsrechtlich geboten, weil diese keinen abgeschlossenen Sachverhalt betreffen, sondern Anrechte zum Gegenstand haben, die noch Veränderungen erfahren können (BVerfG Beschl v 16.11.92 – 1 BvL 17/89 – NJW 93, 1057 ff). Die Ehegatten sollen an den ehezeitlich tatsächlich erworbenen – und nicht an fiktiven – Anrechten gleichmäßig teilhaben (Grundsatz der Halbteilung gem § 1 I VersAusglG), sodass eine Korrekturmöglichkeit zu eröffnen ist, wenn sich der Ausgleichswert eines Anrechts infolge nachehezeitlicher Veränderungen anders darstellt als ursprünglich angenommen.
Rn 2
Wurde ein Wertausgleich bei der Scheidung nach den – seit dem 1.9.09 geltenden – §§ 9 ff VersAusglG durchgeführt, richtet sich dessen Abänderung verfahrensrechtlich nach den §§ 225, 226. Dagegen unterliegt eine Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen VA, die unter Anwendung des bis zum 31.8.09 geltenden Rechts ergangen ist, der Abänderung nach den §§ 51, 52 VersAusglG (dazu näher Rn 13 f und § 226 Rn 6). Wurde eine nach früherem Recht ergangene Entscheidung bereits einer Abänderung nach den §§ 51, 52 VersAusglG unterzogen, steht für eine weitere Abänderung nur noch das Verfahren nach den §§ 225, 226 offen (BGH Beschl v 24.11.21 – XII ZB 359/21 – NJOZ 22, 419, 420 Rz 13). Entscheidungen über (schuldrechtliche) Ausgleichsansprüche nach der Scheidung sind als rechtskräftige Endentscheidungen mit Dauerwirkung demgegenüber ebenso nach Maßgabe des § 48 I abänderbar (§ 227 I), wie Entscheidungen zur Anpassung wegen Unterhalts (§§ 33–34 VersAusglG). Auf die Abänderung einer – abänderbaren – Vereinbarung über den VA sind die §§ 225, 226 entsprechend anzuwenden (§ 227 II).
Rn 3
Während das bis zum 31.8.09 geltende Recht in § 10a VAHRG eine Neuberechnung und Saldierung sämtlicher Ehezeitanteile vorsah, ist ein Wiederaufrollen des gesamten VA im reformierten VA-Recht wegen der Teilung jedes einzelnen Anrechts nicht mehr erforderlich (anders bei einer Abänderung nach den §§ 51, 52 VersAusglG, s Rn 13). Im Falle rechtlicher oder tatsächlicher Veränderungen beschränkt sich die Korrektur im Abänderungsverfahren daher gem § 225 II punktuell auf das jeweils betroffene Anrecht, was zu einer Entlastung aller Beteiligten führt (BTDrs 16/10144, 96). Die Abkehr von der sog Totalrevision bedeutet allerdings nicht, dass die Versorgungsträger gehalten sind, bspw Berechnungs- oder Buchungsfehler auch im Abänderungsverfahren beizubehalten (BTDrs 16/10144, 97). Ist die Entscheidung über ein Anrecht abzuändern, dessen Ausgleichswert sich durch nachträgliche Umstände rückwirkend wesentlich verändert hat, sind in der Ausgangsentscheidung enthaltene Fehler (wie Rechen- und Methodenfehler, ungenügende Berechnungsgrundlagen, eine fehlerhafte Bestimmung der Ehezeit oder unrichtige Auskünfte der Versorgungsträger) bei der Neuberechnung dieses Anrechts mit zu korrigieren (BGH Beschl v 27.5.15 – XII ZB 564/12 – NJW-RR 15, 900, 901 Rz 18). Eine Abänderung in Bezug auf ein Anrecht, das in der Ausgangsentscheidung Gegenstand einer nach § 27 VersAusglG ergangenen Härtefallregelung war, sieht das Gesetz nicht vor (BGH Beschl v 24.11.21 – XII ZB 359/21 – NJOZ 22, 419, 420 Rz 15).
Rn 4
Generell kein Abänderungsgrund liegt vor, wenn Anrechte übersehen, vergessen oder verschwiegen worden sind. Solche Anrechte können im Wege eines Abänderungsverfahrens weder einem Wertausgleich bei der Scheidung unterworfen noch schuldrechtlich ausgeglichen werden (BGH Beschl v 24.7.13 – XII ZB 340/11 – NJW-RR 13, 1219, 1220 ff Rz 14 ff und 21 ff). Ebenfalls nicht zur Abänderung berechtigt eine von der Dynamik des auszugleichenden Anrechts abweichende Wertentwicklung des im Wege der externen Teilung begründeten Anrechts (BTDrs 16/10144, 97).
Rn 5
Umstritten ist, ob auch eine Entscheidung mit dem sinngemäßen Ausspruch, ein VA finde derzeit nicht statt, einer Abänderung unterliegt, wenn der VA nunmehr durchgeführt werden soll (zust Frankf Beschl v 8.9.17 – 4 UF 72/17 – FamRZ 18, 338, 339 f mwN). Eine solche Entscheidung befasst sich indes nicht inhaltlich mit dem VA, sondern schließt das VA-Verfahren lediglich ergebnislos ab, meist, weil sich die Anrechte eines Ehegatten wegen dessen fehlender Mitwirkung nicht vollständig aufklären ließen. Daher wird mE zu Recht vertreten, es könne ein neues ›Erstverfahren‹ durchgeführt werden (so auch Bumiller/Harders/Schwamb § 225 Rz 5 mwN). Dieser Streit hat – abgesehen vom Zeitpunkt einer zulässigen Antragstellung (§ 226 II, ggf iVm § 52 I VersAusglG) – auch Auswirkungen auf die Frage, ab wann die zu treffende Entscheidung Wirkungen entfaltet (§ 226 IV, ggf iVm § 52 I VersAusglG) bzw zu welchem Zeitpunkt sie umzusetzen ist (vgl Frankf Beschl v 8.9.17 – 4 UF 72/17 – FamRZ 18, 338, 339).