Rn 3
Die Verweisung auf die ZPO bezieht sich auf die ersten drei Abschnitte des 8. Buches der ZPO (§§ 704–898 ZPO). Der einstweilige Rechtsschutz ist hingegen im FamFG eigenständig geregelt (§§ 49 ff) und auch die Vorschriften über die grenzüberschreitende Kontenpfändung (§§ 946 ff ZPO) sind auf FamFG-Verfahren nicht anwendbar, da diese nicht als Zivil- oder Handelssachen iSd § 946 I ZPO gelten.
Rn 4
§§ 86, 87 enthalten zudem vorrangige Sonderregelungen. So ergeben sich bspw die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung) aus den §§ 86, 87 FamFG und nicht aus der ZPO.
Rn 5
In den Nr 1–5 werden mehrere Regelungen der ZPO ausdrücklich in Bezug genommen. Die Aufzählung dient der Veranschaulichung und ist nicht abschließend.
Rn 6
§ 95 I Nr 1 nimmt Bezug auf die Vollstreckung wegen einer Geldforderung (§§ 802a–882 ZPO). Beispiele für solche Forderungen sind etwa der Vergütungsanspruch des Vormunds (§ 168), des Nachlassverwalters (Celle FGPrax 21, 175 [OLG Celle 18.03.2021 - 6 W 27/21]) oder des Betreuers (§ 292) sowie die bestätigte Dispache (§ 409). Auch Kostenfestsetzungsbeschlüsse (§ 85 FamFG iVm § 104 ZPO) werden nach § 95 I Nr 1 vollstreckt, wenn die Kostengrundentscheidung in dessen Anwendungsbereich fällt.
Rn 7
§ 95 I Nr 2 betrifft die Vollstreckung eines Titels auf Herausgabe einer beweglichen oder unbeweglichen Sache (§§ 883–886 ZPO). Die Vollstreckung erfolgt hier durch die Übergabe der Sache an den Berechtigten bzw durch die Besitzverschaffung mithilfe des Gerichtsvollziehers. Beispiele sind etwa die Herausgabe von Nachlassgegenständen aufgrund einer gerichtlich bestätigten Auseinandersetzungsvereinbarung, die Herausgabe eines Erbscheins nach dessen Einziehung (§ 2361 BGB) oder die Herausgabe von persönlichen Gegenständen. Auch erfasst ist die Räumung einer Wohnung im Rahmen einer Gewaltschutz- oder Ehewohnungssache. Wird die Herausgabe von persönlichen Sachen eines Kindes verlangt, das selbst aufgrund eines nach §§ 88 ff vollstreckbaren Titels herauszugeben ist, fällt die Vollstreckung dieses Herausgabeanspruchs bei gleichzeitiger Geltendmachung unter die Annexkompetenz des § 88 und nicht unter § 95 (Haußleiter/Gomille Rz 3).
Rn 8
Mit der Vollstreckung eines Titels, der auf die Vornahme einer vertretbaren (§ 887 ZPO) oder einer nicht vertretbaren Handlung (§ 888 ZPO) gerichtet ist, befasst sich § 95 I Nr 3. Vertretbar ist eine Handlung, wenn sie auch durch einen Dritten, unvertretbar, wenn sie nur durch den Verpflichteten selbst vorgenommen werden kann. Bei vertretbaren Handlungen wird der Berechtigte durch das Gericht ermächtigt, die Handlung auf Kosten des Verpflichteten selbst vorzunehmen. Bei unvertretbaren Handlungen können Zwangsgeld und Zwangshaft angeordnet werden. Zu beachten ist, dass für diese Zwangsmittel eine vorherige Androhung nicht stattfindet (Bambg NZFam 22, 981). Beispiele für vertretbare Handlungen sind selten und können sich insb aus vollstreckbaren Vergleichen ergeben, wenn diese Verpflichtungen zu vertretbaren Handlungen enthalten. Das in der Regierungsbegründung genannte Beispiel (Räumung einer Wohnung, vgl BTDrs 16/6308 S 220) für eine vertretbare Handlung fällt hingegen richtigerweise schon unter § 95 I Nr 2. Nicht vertretbare Handlungen sind etwa die Erteilung einer Auskunft nach § 132 AktG (BayObLG NZG 21, 1591 [BayObLG 22.04.2021 - 1 ZBR 74/20]) oder nach § 1686 BGB.
Rn 9
§ 95 I Nr 4 erwähnt die Vollstreckung zur Erzwingung von Duldungen oder Unterlassungen (§§ 890–892 ZPO). Die gerichtliche Durchsetzung erfolgt hier durch Ordnungsgeld und Ordnungshaft. Vorausgesetzt wird ein schuldhafter Verstoß gegen das Unterlassungsgebot (Hambg FamRZ 21, 1411). Unterlassungspflichten können bspw aus einer gerichtlichen Anordnung im Rahmen eines Gewaltschutzverfahrens resultieren (vgl Köln NZFam 14, 1002; Kobl FamRZ 19, 629; Giers NZFam 20, 4, 6). Beispiele für Duldungspflichten sind etwa die Pflicht, nach § 273 III AktG die Einsichtnahme von Büchern oder nach § 1598a II BGB die Entnahme von Proben zu dulden (Wesseler FK 21, 207). Der Zugang der fingierten Zustimmung des Ehepartners beim Vermieter (§ 1586a III S 1 BGB) wird dadurch allerdings nicht entbehrlich (Hambg FamRZ 21, 579, 581). Die Durchsetzung von titulierten Umgangsregelungen erfolgt hingegen nach §§ 88–94 und nicht nach § 95.
Rn 10
§ 95 I Nr 5 erfasst schließlich die Vollstreckung eines Titels, der auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist (§§ 894 f ZPO). Die Abgabe der Willenserklärung wird hier mit Rechtskraft des Titels fingiert. Die gerichtliche Entscheidung ersetzt ab diesem Zeitpunkt die Willenserklärung des Verpflichteten. Beispiele sind ua die Abgabe einer Erklärung zum Ehenamen nach § 1355 BGB oder zur Begründung eines Mietverhältnisses nach § 1568a V BGB (BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 10). Der Zugang der fingierten Zustimmung des Ehepartners beim Vermieter (§ 1586a III S 1 BGB) wird dadurch allerdings nicht entbehrlich (Hambg FamRZ 21, 579, 581).