Rn 3
§§ 348, 568 ZPO haben den originären Einzelrichter zum Leitbild erhoben (zur Entwicklung vgl § 72a Rn 1; Kissel/Mayer Rz 2 ff). Nach den prozessrechtlichen Vorschriften sind aber neben bestimmten Spezialmaterien (zB § 72a Rn 2) va Rechtssachen von grundsätzlicher Bedeutung regelmäßig der voll besetzten Kammer (Rn 2) vorbehalten (vgl BGH WuM 08, 159 [BGH 22.01.2008 - X ZB 27/07]; Kobl NZI 06, 180). Auch über ein Ablehnungsgesuch gegen den Einzelrichter entscheidet gem § 45 ZPO die Kammer in der Besetzung mit drei Mitgliedern, ohne den abgelehnten Richter (BGH NJW-RR 07, 776 [BGH 21.12.2006 - IX ZB 60/06]; § 45 ZPO Rn 2). Ist eine Sache primär der Kammer zugewiesen, kann der Einzelrichter nicht ohne vorherige Übertragung (zB gem § 348a I oder § 526 I ZPO) entscheiden (BGH FamRZ 16, 803; 13.7.17 – V ZB 176/16; zur Rückübertragung: BGH 10.11.22 – III ZR 36/22; ZIP 23, 215). Im ersten Rechtszug sind insb die Kammerzuständigkeiten gem §§ 348 I 2, 348 III und 348a II ZPO zu beachten. Im Berufungsverfahren ist der Einzelrichter nur nach Übertragung zuständig (§ 526 ZPO). Im Beschwerdeverfahren kann der Einzelrichter originär zuständig sein (§ 568 ZPO). Die Beschwerdekammer wird zuständig, wenn dieser ihr die Sache gem § 568 S 2 ZPO überträgt; fehlerhaft ist es, wenn stattdessen die Kammer die Übernahme beschließt (vgl BVerfG NJW 23, 2336 Rz 51 f mwN). Über Beschwerden nach § 68 FamFG entscheidet die Kammer mit 3 Richtern, doch kann die Sache dem Einzelrichter übertragen werden (§ 68 IV FamFG). – Probleme bereitet bisweilen die Grenzziehung zwischen den – nicht dispositiven – Zuständigkeiten des Einzelrichters und des Kollegialgerichts (vgl Stackmann JuS 08, 129), deren Verletzung den verfassungsrechtlich relevanten Makel einer fehlerhaften Besetzung nach sich ziehen kann (vgl BVerfG NJW 23, 2336 Rz 50; Stuttg FamRZ 10, 395). Ist die Kammer in erster Instanz zuständig, erlässt aber der Einzelrichter einen Beschluss, so wirkt der Besetzungsfehler regelmäßig in der Beschwerdeinstanz fort (vgl § 568 ZPO); das führt zur Aufhebung und Zurückverweisung (Kobl MDR 17, 360 [BGH 28.06.2016 - VI ZR 559/14]). Hat ein nicht zuständiger Einzelrichter über einen PKH-Antrag entschieden, soll auch dies notwendig zur Zurückverweisung führen (Ddorf 17.3.16 – 18 W 81/15; dazu Streyl/Wietz NJW 17, 353 mit Blick auf § 348 I 2 Nr 1 ZPO; Saarbr FamRZ 23, 367, 368). Entscheidet das Beschwerdegericht unbefugt durch den Einzelrichter, liegt darin eine Verletzung des Gebots des gesetzlichen Richters, die im Rechtsbeschwerdeverfahren zur Zurückverweisung führt (BGH FamRZ 16, 451; 16, 803). Es ist widersprüchlich, wenn – in einer Beschwerdesache – der Einzelrichter entscheidet und zugleich die Rechtsbeschwerde zulässt (BGH InsbürO 17, 29). Eine solche Entscheidung ist objektiv willkürlich und verstößt gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (BGH GrundE 19, 965). Hat zuvor die Kammer entschieden, kann der Einzelrichter nicht über Vollstreckungsmaßnahmen des Prozessgerichts bestimmen (Celle 4.8.04 – 4 W 129/04), auch dann nicht, wenn bei Vollstreckungsanträgen im Verfügungsverfahren die zwischenzeitlich rechtshängige Hauptsache auf den Einzelrichter übertragen wurde (Kobl NJW-RR 02, 1724).