Gesetzestext
(1) Das Oberlandesgericht stellt durch unanfechtbaren Beschluss fest, ob der genehmigte Vergleich wirksam geworden ist. Der Beschluss wird öffentlich bekannt gemacht. § 11 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Mit der Bekanntmachung des Beschlusses, der die Wirksamkeit des Vergleichs feststellt, wirkt der Vergleich für und gegen alle Beteiligten, sofern diese nicht ihren Austritt erklärt haben.
(2) Der Vergleich beendet das Musterverfahren.
(3) Sofern der Kläger nicht seinen Austritt erklärt hat, beendet das Prozessgericht die nach § 8 Absatz 1 ausgesetzten Verfahren durch Beschluss und entscheidet über die Kosten nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung der nach § 17 Absatz 2 Nummer 4 getroffenen Vereinbarung. Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.
(4) Macht der Kläger die Nichterfüllung des Vergleichs geltend, wird das Verfahren auf seinen Antrag wieder eröffnet. Wird die Klage nunmehr auf Erfüllung des Vergleichs gerichtet, ist die Klageänderung zulässig.
A. Zweck.
Rn 1
Die Vorschrift regelt die Wirkungen eines gerichtlich genehmigten Vergleichs, der nun als zweite Möglichkeit der Beendigung des Musterverfahrens neben den Musterentscheid tritt. Ebenso wie der Musterentscheid wirkt auch der genehmigte Vergleich für und gegen die Beigeladenen, sofern diese nicht ihren Austritt gem § 19 II KapMuG erklärt haben.
B. Beschluss über Wirksamkeit des Vergleichs und Bekanntmachung (Abs 1).
Rn 2
Nach Ablauf der in § 19 II KapMuG genannten Frist hat das OLG von Amts wegen über die Wirksamkeit des genehmigten Vergleichs zu befinden. Es prüft dazu die Anzahl der eingegangenen Austrittserklärungen der Beigeladenen. Ist das Quorum des § 17 I 4 KapMuG (30 Prozent Austrittserklärungen nach Köpfen) erreicht oder überschritten, so stellt es die Unwirksamkeit des Vergleichs per Beschluss fest, andernfalls dessen Wirksamkeit. Die Bekanntmachung des Beschlusses erfolgt im Klageregister (§ 11 II 2 KapMuG). Ist der Vergleich unwirksam, so wird das Musterverfahren fortgesetzt. Ist der Vergleich wirksam, so wird zweckmäßigerweise auch der Inhalt des Vergleichs im Klageregister bekannt gemacht. Dies dient der Klarstellung über dessen Bindungswirkung und trägt durch Transparenz auch zur Sicherung der Angemessenheit des Vergleichs bei.
C. Beendigung von Musterverfahren (Abs 2) und Ausgangsverfahren (Abs 3).
Rn 3
Neben den materiellen Wirkungen des Vergleichs, die sich aus seinem Inhalt ergeben, beendet der wirksam gewordene Vergleich sowohl das Musterverfahren wie auch die ausgesetzten Verfahren aller Beteiligten, sofern diese nicht als Beigeladene ihren Austritt aus dem Vergleich gem § 19 II KapMuG erklärt haben. Die Verfahren derjenigen Beigeladenen, die ihren Austritt aus dem KapMuG-Vergleich erklärt haben, können gem § 250 ZPO fortgeführt werden. Ein erneuter Musterverfahrensantrag der aus dem Vergleich ausgetretenen Kläger ist unzulässig, soweit es um denselben Lebenssachverhalt geht, der bereits Gegenstand des durch Vergleich beendeten Musterverfahrens war (BTDrs 17/8799, 26).
Rn 4
Die Kostenentscheidung in den beendeten Ausgangsverfahren orientiert sich an dem Vergleichsinhalt und wendet im übrigen die zu § 91a ZPO entwickelten Grundsätze an (BTDrs 17/8799, 26).
D. Nichterfüllung des Vergleichs (Abs 4).
Rn 5
Auch der wirksame Vergleich im Musterverfahren schafft anders als ein sonstiger Prozessvergleich keinen Vollstreckungstitel (BTDrs 17/8799, 26; krit dazu Wigand ZBB 12, 194, 202); dies wäre idR auch nicht sinnvoll, weil die konkrete Leistungsverpflichtung noch in einem nachgelagerten Feststellungsverfahren zu klären sein wird (s § 17 KapMuG Rn 4). Die Vorschrift des Abs 4 ermöglicht es einem Kläger bei Nichterfüllung des Vergleichs sein Ausgangsverfahren fortzuführen; dabei ist die nun auf Erfüllung des Vergleichs gerichtete Klageänderung stets zulässig. Allerdings wird die Erfüllung des Vergleichs typischerweise in der Bereitstellung und Durchführung eines ggf als Schiedsverfahren ausgestalteten Anspruchsermittlungsverfahrens liegen, so dass ein Rückgriff auf Abs 4 nur dann in Betracht kommt, wenn der Beklagte die Einrichtung und Durchführung eines entsprechenden Verfahrens verweigert. Abs 4 ist dagegen nicht dazu gedacht, dass ein Kläger darüber die Ergebnisse eines solchen im Vergleich beschriebenen Verfahrens korrigieren könnte, weil er zB die Entscheidung der betreffenden Institution für unrichtig hält; dies würde dem Zweck des Vergleichs zuwiderlaufen, nämlich möglichst keinen neuen gerichtlichen Klärungsbedarf zu erzeugen (vgl zu diesem Zweck BTDrs 17/8799, 24).