Prof. Hilmar Raeschke-Kessler
1. Fehlende Schiedsfähigkeit.
Rn 40
Nach Art V 2a kann die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs versagt werden, wenn der Streitgegenstand nach dem Recht des Anerkennungsstaats nicht schiedsfähig war. Das entspricht der Regelung in § 1059 II 2b) (s § 1059 Rn 58) und ist für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit ohne praktische Bedeutung, weil nach § 1030 I jeder vermögensrechtliche Anspruch schiedsfähig ist (s § 1030 Rn 3).
2. Verstoß gegen den ordre public.
Rn 41
Nach Art V 2b UNÜ braucht ein ausländischer Schiedsspruch im Inland nicht anerkannt und für vollstreckbar erklärt zu werden, der der öffentlichen Ordnung iSd ordre public (s § 1059 Rn 60 ff) widerspricht. Dabei unterliegt ein ausländischer Schiedsspruch, der im Inland anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden soll, von vornherein nur dem weniger strengen Regime des ordre public international – opi. Der opi ist nur dann verletzt, wenn das schiedsgerichtliche Verfahren an einem schwerwiegenden Mangel gelitten hat, der die Grundlagen staatlichen und wirtschaftlichen Lebens berührt (BGH NJW 07, 772, 774 f Rz 28 [insoweit nicht in BGHZ 166, 278]). Die beste Definition des opi stammt vom schweizerischen Bundesgericht. Danach ist der opi dann verletzt, wenn der Schiedsspruch unvereinbar mit den rechtlichen und moralischen Prinzipien ist, auf denen ein Rechtsstaat beruht (BGE 128 III 234, 243; BGE 128 III 191, 194). Hierzu gehören die Grundsätze von pacta sunt servanda, Treu und Glauben, Verbot des Rechtsmissbrauchs, Schutz vor Korruption, Zwangsarbeit, Menschenhandel und schwerwiegende Straftaten wie Betrug, Raub und Erpressung. Beruht der Schiedsspruch auf ausländischem Recht ist maßgeblich, ob dessen Anwendung zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass er nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint. Hierfür reicht nicht aus, dass ein deutscher Richter, hätte er nach deutschem Recht zu entscheiden, aufgrund zwingender deutscher Normen zu einem anderen Ergebnis kommen würde. Ein Verstoß gegen den ordre public liegt daher nur in extremen Ausnahmefällen vor (BGH SchiedsVZ 14, 151 [BGH 08.05.2014 - III ZR 371/12] Rz 29). Ist ein Schiedsspruch materiell unrichtig, ist die Vollstreckbarerklärung zu versagen, wenn der Gläubiger die Unrichtigkeit kennt und zusätzlich besondere Umstände bestehen, die die Erlangung oder die Ausnutzung des Schiedsspruchs als sittenwidrig erscheinen lassen (BGH 6.10.16 – I ZB 13/15, juris Rz 60). Verletzt der Schiedsspruch die Rechte Dritter, hindert das nicht seine Vollstreckbarerklärung (BGH 6.10.16 – I ZB 13/15, juris Rz 62).
3. Verfahrensrechtlicher opi – Schiedsgericht.
Rn 42
Das ausländische Schiedsgericht hat den verfahrensrechtlichen opi verletzt, wenn es nach deutscher Auffassung ein zentrales Verfahrensgrundrecht einer Partei missachtet hat und der Schiedsspruch hierauf beruht. Hierzu gehören vor allem die aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleiteten Gebote einer Entscheidung durch unabhängige und unparteiliche Schiedsrichter, die den Parteien ausreichend rechtliches Gehör zu gewähren und das Schiedsverfahren fair zu führen haben. Insoweit besteht Deckungsgleichheit mit dem nationalen verfahrensrechtlichen ordre public (s § 1059 Rn 67). Ist der nationale verfahrensrechtliche ordre public nicht verletzt, wenn das Schiedsverfahren in Deutschland stattgefunden hätte, liegt erst recht kein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen opi vor (vgl BGH NJW 07, 772, 775 Rz 32). Hat das Schiedsgericht gegen das Gebot überparteilicher Rechtspflege verstoßen und damit das Neutralitätsgebot verletzt, muss sich dies im Schiedsverfahren konkret ausgewirkt haben, um dessen Schiedsspruch nicht anzuerkennen (BGH SchiedsVZ 16, 218 Rz 36). Das Recht des Generalsekretärs des CAS, auf Grundsatzfragen hinzuweisen, dient der Wahrung einer einheitlichen Rspr des CAS und beeinträchtigt nicht die Unabhängigkeit des jeweiligen Schiedsgerichts (BGH SchiedsVZ 16, 218 [BGH 07.06.2016 - KZR 6/15] Rz 39). Das gleiche muss für die Kontrolle durch den Schiedsgerichtshof der ICC nach Art 33 ICC SchiedsO gelten, die die Vollstreckungsfähigkeit von Schiedssprüchen sichern soll. Beruht der Schiedsspruch auf dem Verfahrensbetrug einer Partei, liegt nur dann ein Verstoß gegen den opi vor, wenn die Voraussetzungen von § 580 Nr. 4 erfüllt sind (BGH 6.10.16 – I ZB 13/15, juris Rz 58).
4. Verfahrensrechtlicher opi. – Deutsche Gerichte.
Rn 42a
In den Verfahren nach § 1061 gelten uneingeschränkt die Rechte aus Art 103 I GG. Das wird durch § 1063 I S 2 klargestellt; der Antragsgegner ist zu hören und nach § 1063 II ist eine mündliche Verhandlung anzuberaumen (BGH 12.3.20 – I ZB 64/19 juris Rz 36). Auf die Ausführungen zu § 1059 Rn 67) wird verwiesen.
Rn 43
Im Verkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern unterliegt die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung einer strengeren Kontrolle am Maßstab des ordre public als im reinen Wirtschaftsverkehr. Die Formvorschrift aus § 1031 V gehört insoweit zum opi. Ein Verstoß hiergegen macht die Schiedsvereinbarung mit Verbrauchern unwirksam, selbst dann, w...