1. Erfordernis.
Rn 7
Nach stRspr und der von dieser Rspr immer wieder bestätigten aktuellen Gesetzeslage bedürfen bestimmende Schriftsätze der eigenhändigen Unterschrift der Person, die für den Schriftsatz verantwortlich zeichnet. Für die Klageschrift ist auf §§ 130 Nr 6, 253 IV zu verweisen, für die Berufung auf §§ 519 IV, 520 V und für die Revision auf die §§ 549 II, 551 IV.
Einerseits hat die Rspr im Grundsatz ihre strenge Auffassung stets bekräftigt, wonach die Urschrift eines bestimmenden Schriftsatzes der eigenhändigen Unterschrift bedarf, die durch Faksimile-Stempel oder andere technische Hilfen nicht ersetzt werden kann, andererseits sind von diesem Grundsatz eine Fülle von Ausnahmen und Ergänzungen zugelassen worden (zu diesem Widerspruch Salamon NZA 09, 1249). Diese Formenstrenge überrascht, weil sie sich in zentraler Weise auf eine Sollvorschrift stützt (§ 130 Nr 6), auf die die einzelnen Vorschriften für die Klageschrift und die Rechtsmittel verweisen. Dieser Gesetzeswortlaut und die vielfältigen Ausnahmen von der eigenen Unterschrift (Telegramm, Fernschreiber, Telefax, Computerfax, E-Post-Brief) legen gewisse Einschränkungen der Formenstrenge nahe. Auch der Gesetzgeber hat mit der Neufassung des § 130 Nr 6 die Auslegung der Rspr keineswegs bestätigt (Prütting FS Vollkommer 06, 283, 286; aA St/J/Kern § 130 Rz 16). Bis heute macht demgegenüber die Rspr geltend, der Zweck der Unterzeichnung, die Übernahme der Verantwortung für den Inhalt eines bestimmenden Schriftsatzes mache ein zwingendes Formerfordernis notwendig. Das ist vielfach und mit guten Gründen bestritten worden (grdl Vollkommer; Heinemann).
2. Eigenhändigkeit.
Rn 8
Die Rspr verlangt eine eigenhändige Originalunterschrift. Sie hält damit weiterhin einen Faksimile-Stempel für unzulässig, ebenso eine maschinenschriftliche Unterschrift, eine unbeglaubigte Kopie oder eine Vervielfältigung durch Matrize (BAG NJW 19, 698; NJW 09, 3596; BGH NJW 05, 2086, BGH VersR 92, 76; BGH NJW 62, 1505). Nicht ausreichend ist nach BGH auch die Blanko-Unterschrift (BGH NJW 05, 2709; aA BGH NJW 12, 3378 = FamRZ 12, 1935, wenn der Schriftsatz vom Rechtsanwalt so genau festgelegt war, dass eine eigenverantwortliche Prüfung bejaht werden kann). Selbst eine Unterschrift unter den fertigen Text, die ohne eigene Prüfung des Textes geleistet wurde, soll nicht ausreichend sein (BGH NJW-RR 06, 342 [BGH 22.11.2005 - VIII ZB 40/05]); nicht ausreichend ist ferner aus einem Blankoexemplar ausgeschnittene und auf die Fax-Vorlage geklebte Unterschrift (BGH NJW 15, 3246 [BGH 27.08.2015 - III ZB 60/14]). Demgegenüber hat der GemS-OGB bestimmende Schriftsätze durch Computerfax mit eingescannter Unterschrift oder mit dem Hinweis auf die im Hinblick auf die Übertragungsart fehlende Unterschrift für zulässig angesehen (GemS-OGB NJW 00, 2340 [GmSOGB 05.04.2000 - GmS-OGB 1/98]). Diese Rspr hat den Gesetzgeber veranlasst, weitergehende Regelungen in der ZPO zu unterlassen. Denn eine eingescannte Unterschrift iRd Computerfax stellt zweifellos keine eigenhändige Unterschrift dar, sondern sie ist nichts anderes als eine moderne Form des Faksimiles. Trotz solcher Wertungswidersprüche hält die Rspr des BGH und damit die Praxis am Erfordernis der Eigenhändigkeit der Unterschrift fest. Bei Behörden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften genügt der maschinengeschriebene Name des Verfassers der Schrift mit einem Beglaubigungsvermerk (BGHZ 75, 340). Die Unterzeichnung durch einen Rechtsanwalt mit dem Zusatz ›iV‹ oder ›iA‹ weist erkennbar auf Unterbevollmächtigung hin und reicht aus (BGH NJW 13, 237; NJW-RR 12, 1139 [BGH 26.04.2012 - VII ZB 83/10]; NJW 12, 3379 [BGH 20.06.2012 - IV ZB 18/11]; MDR 12, 1430 [BGH 25.09.2012 - VIII ZB 22/12]; aA BGH MDR 16, 52 [BGH 04.11.2015 - VII ZB 22/15]; NJW 18, 1689 [BGH 27.02.2018 - XI ZR 452/16] im Anwaltsprozess; dagegen zu Recht Vollkommer MDR 17, 197), ebenso die Unterzeichnung eines anderen Rechtsanwalts mit Berufsbezeichnung, der damit die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernimmt (BGH MDR 23, 384 [BGH 20.12.2022 - VI ZR 279/21]; NJW-RR 12, 1142 [BGH 26.07.2012 - III ZB 70/11]). Nicht ausreichend ist eine Abkürzung oder Paraphe statt des vollen Namenszugs (BGH NJW-RR 17, 445 [BGH 29.11.2016 - VI ZB 16/16]).
3. Lesbarkeit.
Rn 9
Die strenge Rspr des BGH wird noch dadurch gesteigert, dass eine eigenhändige Unterschrift zwar nicht lesbar sein muss (BGH MDR 21, 440; NJW-RR 15, 699; 97, 760 [BGH 08.01.1997 - XII ZB 199/96]; NJW 87, 1333, 1334). Sie muss jedoch individuelle Züge aufweisen und muss eine gewisse scheinbare Vollständigkeit und Unterscheidbarkeit gewährleisten (die Identität des Unterzeichners kennzeichnend). Als Unterschrift ist daher nicht anerkannt worden eine lediglich gekrümmte Linie (BGH MDR 91, 223; BGH NJW 85, 1227 [BGH 11.10.1984 - X ZB 11/84]), ferner nur Striche, Punkte oder Schnörkel, aus denen man keinen Einzelbuchstaben herauslesen kann (BGH NJW 82, 1467 [BGH 11.02.1982 - III ZR 39/81]; NJW 87, 1333; NJW 89, 588 [BGH 09.11.1988 - I ZR 149/87]; NJW 94, 55; etwas großz...