Rn 2
Eine Aussetzung ist grds in jedem zivilprozessualen Verfahren möglich (zur Aussetzung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde im Patentverletzungsrechtsstreit: BGH GRUR 12, 93 [BGH 28.09.2011 - X ZR 68/10]). Mit Inkrafttreten des Verbandsklagerichtlinienumsetzungsgesetzes (BGBl I 23, 272) wurden die bisherige Regelung zur Aussetzung mit Blick auf ein anhängiges Musterfeststellungsverfahren an das VDuG in Abs 2 angepasst (s Rn 11) und in Abs 3 eine Aussetzungsoption für den Fall geschaffen, dass in einem anderen Rechtsstreit zu einer entscheidungserheblichen Beweisfrage die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet wurde (s Rn 12).
I. Eilbedürftige Verfahren.
Rn 3
Einschränkungen unterliegen Verfahren, die eine eilbedürftige Entscheidung verlangen. Dies gilt insb im einstweiligen Rechtsschutz: Hier ist eine Aussetzung allenfalls im Widerspruchsverfahren nach § 924 oder im Verfahren nach § 927 in Betracht zu ziehen (MüKoZPO/Fritsche Rz 2; Ddorf NJW 85, 1966; München MDR 86, 681). Im Urkundenprozess scheidet eine Aussetzung bis zum Erlass des Vorbehaltsurteils regelmäßig aus, sofern nicht besondere Umstände die Aussetzung gebieten (BGH MDR 21, 636 [BGH 09.03.2021 - II ZB 16/20]; Zö/Greger Rz 4); sie kommt aber dann in Betracht, wenn in einem anderen Verfahren über die Echtheit der Urkunde gestritten wird (Wieczorek/Schütze/Smid Rz 15; München JurBüro 03, 154). In der Zwangsvollstreckung ist eine Aussetzung nur in den Verfahren nach § 767 und § 771 möglich. Auch im Insolvenzverfahren ist wegen der Eilbedürftigkeit des Verfahrens von einer Aussetzung abzusehen (BGH NZI 06, 642). Im aktienrechtlichen Freigabeverfahren nach § 319 VI AktG steht die gesetzgeberische Intention zur Beschleunigung des Verfahrens einer Aussetzung insb dann entgegen, wenn bei fehlendem Mindestanteilbesitz (§ 319 VI S 2 Nr 1 AktG) eine Freigabeentscheidung ohne sachliche Prüfung erfolgen kann (Köln AG 21, 686). Generell wird das Gericht von einer Aussetzung Abstand nehmen, wenn das Rechtsschutzinteresse durch eine Hinauszögerung der Entscheidung in Wegfall zu geraten droht (vgl LAG Düsseldorf NZA-RR 17, 435 [LAG Düsseldorf 22.03.2017 - 4 TaBV 102/16]).
II. FamFG-Verfahren.
Rn 4
Eine Aussetzung nach § 148 ist möglich. In den nichtstreitigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit kann allerdings die Funktion des jeweiligen Verfahrens einer Aussetzung im Einzelfall entgegenstehen (Wieczorek/Schütze/Smid Rz 18 f): So ist etwa im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren dessen Eilbedürftigkeit zu beachten. Das Feststellungsmonopol der Landesjustizverwaltung für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen (§ 107 I FamFG) zwingt nicht zur Aussetzung: Das Gericht ist iRd Ermessensausübung im Einzelfall nicht gehindert, eine Prognose über den Ausgang des Anerkenntnisverfahrens aufzustellen (Nürnbg OLGR 09, 148).
III. Rechtsmittelverfahren.
Rn 5
Das Berufungsgericht kann aussetzen, soweit die Aussetzung nicht dazu dient, gem § 531 ausgeschlossene Angriffs- und Verteidigungsmittel in das Verfahren einzuführen. In der Revisionsinstanz ist neues Tatsachenvorbringen nur im Ausnahmefall beachtlich; hier kommt eine Aussetzung zur Einführung neuer Tatsachen insb dann in Betracht, wenn die Tatsachen einen vAw zu berücksichtigenden Aspekt betreffen (vgl BGH NJW-RR 92, 1149 [BGH 07.05.1992 - V ZR 192/91]).