I. Voraussetzungen.
1. Anordnung.
Rn 6
Die Zustellung muss gesetzlich vorgeschrieben (vgl zB §§ 253 I, 317 I 1, 693 I) oder durch Verfügung des Richters oder Rechtspflegers nach pflichtgemäßem Ermessen angeordnet sein (§ 166 II). In diesem Fall beweist die Zustellung die erforderliche Mitteilung, die allerdings auch formlos hätte erfolgen können (vgl Rn 5). Der Urkundsbeamte ist an die Anordnung des Richters oder Rechtspflegers gebunden (BGH NJW 93, 1213, 1214). Ein Verstoß wird bei tatsächlichem Zugang geheilt (§ 189). Der Zustellungsveranlasser (Rn 3) muss die Zustellung angeordnet oder beauftragt haben.
2. Zustellungswille.
Rn 7
Die Bekanntgabe eines Dokuments ohne Zustellungswillen (oder Zustellungsabsicht) entfaltet keine Zustellungswirkung (BGH NJW 17, 2472 Rz 37, 60). Veranlasst der Urkundsbeamte die Zustellung, kommt es auf dessen Willen an. Hat der Richter oder Rechtspfleger die Zustellung verfügt, ist dessen Willensäußerung entscheidend (BGH NJW 56, 1878, 1879). Der Zustellungswille muss dem Zustellungsempfänger erkennbar sein (BGH NJW-RR 18, 970 [BGH 20.04.2018 - V ZR 202/16] Rz 14; NJW 17, 2472 [BGH 29.03.2017 - VIII ZR 11/16] Rz 57). Er braucht sich nicht auf die Form des zuzustellenden Schriftstücks (Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift) zu beziehen (BGH NJW 59, 885). Die Äußerung des Zustellungswillens kann widerrufen werden (RGZ 150, 392, 394). Dazu genügt aber nicht die Rückforderung eines Schriftstücks zur Berichtigung; eine zuvor erfolgte wirksame Zustellung bleibt also wirksam (BGH NJW-RR 92, 251, 252 [BGH 25.09.1991 - XII ZB 98/91]; 93, 1213, 1214 [BGH 05.05.1993 - XII ZR 44/92]). Eine Heilung ist bei fehlendem Zustellungswillen nicht möglich (BGH NJW 11, 1965 [BGH 27.01.2011 - VII ZR 186/09] Rz 40 ff; 17, 2472 Rz 35).
3. Dokument.
Rn 8
Es können nicht nur Urkunden, sondern alle schriftlich abgefassten Texte (auch: elektronische Dokumente) zugestellt werden. Ob die Urschrift, eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift zuzustellen ist, richtet sich nach der gesetzlichen oder gerichtlichen Anordnung (Rn 6). In der Regel verbleibt die Urschrift des zuzustellenden Dokuments bei den Akten und es wird vAw eine beglaubigte Abschrift (§ 169 II; zur Beglaubigung § 169 Rn 2 ff) zugestellt (zur wirksamen Zustellung einer Klageschrift in Urschrift BAG NJW 15, 3533 [BAG 25.02.2015 - 5 AZR 849/13] Rz 34 ff). Die Vorschriften des Verfahrensrechts können allerdings eine besondere Form bestimmen, in der das Schriftstück zuzustellen ist (zB § 750 II). Seit dem 1.7.14 genügt im Hinblick auf die Änderung von § 317 die Zustellung einer beglaubigten Urteilsabschrift. Eine Ausfertigung ist nicht mehr erforderlich (BGH NJW 16, 1180 [BGH 27.01.2016 - XII ZB 684/14] Rz 15 ff).
4. Ausführung.
Rn 9
Die Zustellung des Dokuments muss in der gesetzlich vorgeschriebenen Form ausgeführt werden, wobei die Zustellungshandlungen ggü dem Zustellungsempfänger (Rn 3) vorgenommen werden müssen. Ggf sind die besonderen Voraussetzungen der gewählten Zustellungsform zu beachten (zB § 186 II). Die Bekanntgabe des Dokuments (Abs 1) erfolgt grds durch Übermittlung des Schriftstücks an den Zustellungsadressaten oder seine Ersatzperson (§§ 173–175, 177–181), in den Fällen des § 184 durch die Aufgabe zur Post oder bei der öffentlichen Zustellung (§ 185) durch den Aushang an der Gerichtstafel oder Einstellung in ein elektronisches Informationssystem gem § 186 II. Zu den Besonderheiten für Zustellungen im Ausland s § 183. Die Beurkundung ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung der Zustellung, sondern dient lediglich dem Nachweis der Zustellung (§ 182 Rn 1).
II. Wirksamkeit.
Rn 10
Ein Verstoß gegen zwingende Zustellungsvorschriften macht die Zustellung unwirksam. Die persönlichen Prozesshandlungsvoraussetzungen müssen grds nicht erfüllt sein (Ausnahmen: §§ 170 I, 172, 174). Eine erkennbar unwirksame Zustellung muss wiederholt werden (BGH NJW 90, 176, 177 [BGH 29.06.1989 - III ZR 92/87]; BGH 26.2.13 – XI ZB 15/12 Rz 15). Die Zustellung ist nicht gesondert anfechtbar. Gegen die Verweigerung einer Zustellung kann nach § 23 EGGVG vorgegangen werden; eine Beschwerde nach § 567 findet nicht statt (vgl BGH GRUR 14, 705 [BGH 06.11.2013 - I ZB 48/13] Rz 6 ff).
III. Heilung.
Rn 11
Eine unwirksame Zustellung kann durch Genehmigung oder gem § 189 oder § 295 geheilt werden (zu den Einzelheiten s § 189 Rn 1 ff).