Gesetzestext
Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 oder § 204a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.
A. Normzweck.
Rn 1
Durch die Regelung in § 167 sollen die Parteien bei der Zustellung vAw vor Nachteilen durch Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsablaufs bewahrt werden, weil sie auf diesen Geschäftsbetrieb keinen Einfluss haben (BGH NJW 10, 856 Rz 11; 15, 3101 Rz 15). Die Wirkung einer Erklärung oder eines Antrags tritt daher grds bereits mit dem Eingang bei Gericht ein. Die Belange des Zustellungsempfängers treten bei dieser Regelung ganz in den Hintergrund, obwohl der Zustellungsbetreiber ggf Amtshaftungsansprüche wegen der verzögerten Zustellung geltend machen kann (vgl BGH MDR 84, 124). Die Wirkung ist begrenzt auf den Streitgegenstand der eingereichten Klage (BGH 27.2.23 – VIa ZR 1345/22 Rz 6) und den in der Klage bezeichneten Beklagten (BGH NJW 23, 2111 [BGH 24.02.2023 - V ZR 152/22] Rz 12). Die Anwendung des § 167 setzt nicht voraus, dass zur Zeit der Zustellung die zu wahrende Frist bereits abgelaufen ist; die Hemmung der Verjährung tritt also auch dann bereits mit dem Eingang bei Gericht ein, wenn der Anspruch zum Zeitpunkt der demnächst erfolgten Zustellung noch nicht verjährt war (BGH NJW 10, 856 [BGH 17.12.2009 - IX ZR 4/08] Rz 7 ff). Um auch dem Interesse des Zustellungsadressaten, dass eine durch Fristablauf erlangte Rechtsposition fortbestehe, Rechnung zu tragen, ist die vorgeschriebene Rückwirkung auf die Fälle begrenzt, in denen die Zustellung ›demnächst‹ erfolgt (dazu näher Rn 9 ff). Daneben kommt in Ausnahmefällen bei Ablauf der Verjährungsfrist ein Einredeverlust nach § 242 BGB wegen Rechtsmissbrauchs in Betracht (vgl BGH NJW 02, 3110). Die Abtretung der Klageforderung an einen Dritten nach Eintritt der Hemmungswirkung gem § 204 I Nr 1 BGB, § 167 beendet die Hemmung nicht (BGH NJW 13, 1730 [BGH 15.11.2012 - I ZR 86/11] Rz 27). Seit 13.10.23 tritt die Rückwirkung nicht nur bei einer Handlung der Parteien, sondern bei Verbrauchern auch durch in § 204a BGB näher bezeichnete Handlungen bestimmter Verbraucherverbände ein.
B. Anwendungsbereich.
I. Zustellungsarten.
Rn 2
§ 167 erfasst alle Arten von Zustellungen, auch Auslandszustellungen und öffentliche Zustellungen (St/J/Roth Rz 3) sowie Parteizustellungen (§ 191) und gilt auch für die erst durch eine Heilung wirksam gewordene Zustellung (BGH NJW 15, 1760 [BGH 12.03.2015 - III ZR 207/14] Rz 19)
II. Erfasste Fristen.
Rn 3
Verjährungsfrist (§ 204 BGB; auch beim Gütestelleverfahren, Abs 1 Nr 4: BGH WM 09, 2032 Rz 14), Klagefrist im Mieterhöhungsverfahren (§ 558b II 2 BGB), Anfechtungsfrist nach §§ 3, 4 AnfG (Frankf OLGR 94, 263), Frist für aktienrechtliche Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage (BGH NJW 89, 904 f; BGH NJW-RR 11, 976 Rz 11; Dresd ZIP 17, 2003), Klagefristen nach § 12 III 1 VVG (BGH NJW 12, 612), § 45 WEG (BGH NJW 09, 999, 1000 [BGH 16.01.2009 - V ZR 74/08]; NZM 16, 53 [BGH 25.09.2015 - V ZR 203/14] Rz 8) und Art. 12 III 1 Nato-Truppenstatut AusfG (BGH VersR 79, 1709 f), Ausschlussfrist des Art. 237 § 2 EGBGB (BGH WM 01, 477; NJOZ 14, 1001 Rz 27), Frist für Kündigungsschutzklage nach § 4 S 1 KSchG, für Hauptsacheklage nach § 926 I (KG Urt v 23.10.09 – 8 U 121/09). Zur Vollziehungsfrist gem § 929 s dort Rn 9. Die Regelung ist auch dann (entsprechend) anwendbar, wenn der Schuldner befristet auf die Verjährungseinrede verzichtet hat (BGH NJW 74, 1285; 86, 1861).
Rn 4
Die Rspr gibt § 167 einen weiten Anwendungsbereich. Kann eine materiell-rechtliche Frist sowohl durch gerichtliche als auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden, gilt § 167, wenn der Anspruchsteller die gerichtliche Form wählt (BGH NJW 09, 765 Rz 20 ff). Dies gilt für die Ausschlussfristen nach § 801 I 1 BGB und § 89b IV 2 (BGH NJW 70, 1002, 1003 f), die Vorbehaltsfrist des § 16 Nr 3 Abs 2 VOB/B (BGH NJW 80, 455, 456 [BGH 08.11.1979 - VII ZR 86/79]), die Widerspruchsfrist nach 545 BGB (BGH NJW 14, 2568 [BGH 25.06.2014 - VIII ZR 10/14] Rz 25 ff), die Ausschlussfrist nach § 15 IV AGG (BAG NJW 14, 2893 [BAG 22.05.2014 - 8 AZR 662/13] Rz 9 ff) und für die vereinbarte Frist zur Inanspruchnahme einer Bürgschaft (BGH NJW 82, 172, 173 [BGH 21.10.1981 - VIII ZR 212/80]). Obwohl eine andere Interessenlage insofern nicht erkennbar ist, soll etwas anderes für tarifvertragliche Ausschlussfristen (BAG NZA 16, 1154 [BAG 16.03.2016 - 4 AZR 421/15] Rz 20 ff mN) und die Vorbehaltsfrist des § 2 S 2 KSchG (BAG NZA 98, 1225 [BAG 17.06.1998 - 2 AZR 336/97]) gelten. Der Eingang des Antrags auf Zustellung einer Willenserklärung (zB für eine Anfechtung nach § 124 I, III BGB) ist fristwahrend (vgl BGH NJW 09, 765 Rz 23 ff; Zö/Greger Rz 3, 3a; MüKoZPO/Häublein/Müller Rz 5; aA St/J/Roth Rz 3). Auf die Frist nach § 121 BGB soll § 167 BGB allerdings nicht anwendbar sein (s BGH NJW 09, 765 [BGH 17.07.2008 - I ZR 109/05] Rz 26; BGH NJW 75, 39 [BGH 11.10.1974 - V ZR 25/73]; Zö/Greger Rz ...