I. Beglaubigungsbefugnis.
Rn 2
Die Geschäftsstelle hat die Beglaubigungsbefugnis für die bei der Zustellung zu übergebende beglaubigte Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks. Vom Anwalt eingereichte Schriftstücke kann gem S 2 auch dieser beglaubigen. Darüber hinaus hat der RA keine Beglaubigungsbefugnis (BGH NJW 84, 2890). Der GV ist bei der Parteizustellung beglaubigungsbefugt (vgl § 192 II 2). In welchen Fällen die Zustellung einer beglaubigten Abschrift ausreicht, regelt § 169 nicht (s hierzu § 166 Rn 8).
II. Beglaubigte Abschrift.
Rn 3
Sie ist eine Zweitschrift (meist Fotokopie oder zweiter Ausdruck), auf der bescheinigt ist, dass sie mit der Urschrift inhaltlich völlig übereinstimmt (vgl BAG NJW 15, 3533 [BAG 25.02.2015 - 5 AZR 849/13] Rz 35). Umfasst sie mehrere Blätter, kann die Beglaubigung auf einem mit der Abschrift derart verbundenen Blatt erfolgen, dass die Verbindung als dauernd gewollt erkennbar und nur durch Gewaltanwendung zu lösen ist (zB Heftung, vgl BGH NJW 74, 1383, 1384 [BGH 27.05.1974 - VII ZB 5/74]). Der Beglaubigungsvermerk muss deutlich machen, dass alle Seiten bei der Beglaubigung vorgelegen haben und von ihr umfasst sein sollen (BGH NJW 04, 506, 507 f; NJW 17, 3721 [BGH 13.09.2017 - IV ZR 26/16] Rz 14 f). Die Abschrift kann bei einem Urt abgekürzt sein (§ 317 II 3), muss aber auch dann die Unterschriften der Richter umfassen (vgl im Einzelnen BGH Rpfleger 73, 15). Wird die Abschrift von einer Ausfertigung des Urteils erteilt, muss sich dies aus dem Beglaubigungsvermerk ergeben. Zur Abschrift eines elektronischen Dokuments s § 317 III, § 298. Der Beglaubigungsvermerk muss handschriftlich unterschrieben sein (zu den Anforderungen an die Unterschrift vgl BGH NJW 85, 1227 [BGH 11.10.1984 - X ZB 11/84]). Beglaubigt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle, muss dies erkennbar sein.
Rn 4
Ohne Beglaubigung ist die Zustellung unwirksam (BGH NJW 52, 934; BGH NJW 71, 659 [BGH 04.02.1971 - VII ZR 111/70] mN; BGH NJW 16, 1517 Rz 13; 19, 1374 Rz 11). Allerdings ist eine Heilung nach § 189 durch Zustellung einer (inhaltlich mit der Urschrift übereinstimmenden) einfachen Abschrift nach stRspr des BGH möglich (BGH NJW 19, 1374 Rz 13; 17, 3721 Rz 17 f; BGH NJW 16, 1517 Rz 14 ff; BGH WM 16, 2307 Rz 21 f; s.a. § 189 Rn 2), wenn keine Zweifel an der Authentizität und Amtlichkeit der Abschrift bestehen (BGH NJW 22, 816). Dies ist jedenfalls bei einer Übermittlung der Urteilsabschrift an das beA des Rechtsanwalts der Partei anzunehmen (BGH NJW 22, 816 Rz 35). § 169 ist im Einklang mit der Zielsetzung des Gesetzgebers grds weit auszulegen. Er hat den Sinn, die förmlichen Zustellungsvorschriften nicht zum Selbstzweck erstarren zu lassen, sondern die Zustellung auch dann als bewirkt anzusehen, wenn der Zustellungszweck anderweitig, nämlich durch tatsächlichen Zugang, erreicht wird (BGH NJW 22, 816 Rz 27 mwN). Der Zweck der Zustellung ist es, dem Adressaten angemessene Gelegenheit zu verschaffen, von einem Schriftstück Kenntnis zu nehmen, und den Zeitpunkt der Bekanntgabe zu dokumentieren (s zu alldem zB BGH NJW 16, 1517 Rz 21; 17, 2472 Rz 38 f.; 17, 3721 Rz 18 und NJW-RR 18, 970 [BGH 20.04.2018 - V ZR 202/16] Rz 27; NJW 19, 1374 Rz 13). Ist die Gelegenheit zur Kenntnisnahme für den Zustellungsadressaten gewährleistet und steht der tatsächliche Zugang des betreffenden Schriftstücks bei ihm fest, bedarf es daher besonderer Gründe, die Zustellungswirkung entgegen dem Wortlaut des § 169 nicht eintreten zu lassen (BGH NJW 16, 1517 Rz 22). Solche Gründe können etwa dann gegeben sein, wenn das Gesetz die Zustellung einer Ausfertigung vorsieht, um von vornherein jegliche Zweifel an der Authentizität und Amtlichkeit des zugestellten Schriftstücks auszuschließen (BGH NJW 16, 1517; NJW 19, 1374 [BGH 21.02.2019 - III ZR 115/18] Rz 13).
Weicht die Abschrift von der Urschrift so ab, dass der Zustellungsempfänger den Inhalt der Urschrift in ihren für den Rechtsstreit wesentlichen Bestandteilen nicht mehr zweifelsfrei erkennen kann (zB weil eine Seite oder Anlage fehlt), so ist die Zustellung formungültig (BGH NJW 01, 1653, 1654; FamRZ 07, 372; NJW-RR 12, 179, 180 Rz 10). Dasselbe gilt, wenn das Gericht fehlerhafte Abschriften zurückfordert und fehlerfreie erneut zustellt; dies kann der Zustellungsempfänger nur so verstehen, dass die erste Zustellung vom Gericht für unwirksam gehalten wird; selbst wenn die erste Zustellung wegen der Geringfügigkeit des Mangels unwirksam war, ist das Vertrauen des Empfängers schützenswert (aA BGH GRUR-RS 23, 31350). Allein das Fehlen des Verkündungs- oder Zustellungsvermerks auf dem zugestellten Schriftstück macht die Zustellung hingegen nicht unwirksam (BGH NJW 53, 622 [BGH 14.01.1953 - VI ZR 50/52]).
III. Ausfertigung.
Rn 5
Die Ausfertigung ist die Abschrift einer gerichtlichen Entscheidung auf Papier, die die Urschrift im Rechtsverkehr ersetzt (§ 317 II). Sie ist eine öffentliche Urkunde (BGH NJW 10, 2519 Rz 14). Die Ausfertigung muss erkennen lassen, dass das Original unterschrieben ist (BGH NJW 75, 781; VersR 80, 741, 742; FamRZ 90, 1227; vgl auch § 315 Rn 1...