Gesetzestext

 

(1) Ein Schriftstück kann den in § 173 Absatz 2 Genannten gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden.

(2) 1Eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis kann auch durch Telekopie erfolgen. 2Die Übermittlung soll mit dem Hinweis ›Zustellung gegen Empfangsbekenntnis‹ eingeleitet werden und die absendende Stelle, den Namen und die Anschrift des Zustellungsadressaten sowie den Namen des Justizbediensteten erkennen lassen, der das Dokument zur Übermittlung aufgegeben hat.

(3) Die Zustellung nach den Absätzen 1 und 2 wird durch das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene Empfangsbekenntnis nachgewiesen.

(4) Das Empfangsbekenntnis muss schriftlich, durch Telekopie oder als elektronisches Dokument (§ 130a) an das Gericht gesandt werden.

A. Normzweck und Anwendungsbereich.

 

Rn 1

§ 175 ist neu gefasst mWv 1.1.22 durch G vom 5.10.21 (Gesetz zum elektronischen Ausbau des Rechtsverkehrs mit den Gerichten).

 

Rn 2

Abs 1 übernimmt die Regelung des bisherigen § 174 I, wonach ein Schriftstück an die in § 173 II 2 genannten Verfahrensbeteiligten gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden kann. Abs 2 übernimmt die Regelung des bisherigen § 174 II 1. Danach kann eine Zustellung gegen Empfangsbekenntnis auch durch Telekopie erfolgen. Die Übermittlung soll mit dem Hinweis ›Zustellung gegen Empfangsbekenntnis‹ eingeleitet werden und die absendende Stelle, den Namen und die Anschrift des Zustellungsadressaten sowie den Namen des Justizbediensteten erkennen lassen, der das Dokument zur Übermittlung aufgegeben hat. Abs 3 greift den bisherigen § 174 IV 1 auf. Die Zustellung nach Abs 1 oder 2 wird durch das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene Empfangsbekenntnis nachgewiesen. Abs 4 übernimmt die Regelung des bisherigen § 174 IV 2, wonach das Empfangsbekenntnis schriftlich, durch Telekopie oder als elektronisches Dokument (§ 130a) an das Gericht zurückgesandt werden muss (BTDrs 19/28399).

B. Zustellung im Schriftverkehr (Abs 1).

 

Rn 3

Neben den allgemeinen Zustellungsvoraussetzungen (s § 166 Rn 6 ff) erfordert § 175, dass der Zustellungsadressat das zuzustellende Schriftstück persönlich entgegennimmt mit der Bereitschaft, dieses als zugestellt anzunehmen (BGH NJW 06, 1206, 1207 [BGH 18.01.2006 - VIII ZR 114/05]; 12, 2117 [BGH 19.04.2012 - IX ZB 303/11] Rz 6; NJW-RR 15, 953 Rz 7). Eine Ersatzzustellung ist nicht möglich. Entgegengenommen hat der Zustellungsadressat das Dokument, wenn er daran derart Gewahrsam erlangt hat, dass er von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann. Es genügt nicht, dass ein RA das Schriftstück tatsächlich erhalten oder hiervon Kenntnis genommen hat (BGH NJW 89, 1154 [BGH 22.11.1988 - VI ZR 226/87]). Vielmehr muss er empfangsbereit sein, was er durch seine Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis dokumentiert (BVerfG NJW 01, 1563, 1564 [BVerfG 27.03.2001 - 2 BvR 2211/97]; BGH NJW 07, 600, 601 [BGH 20.07.2006 - I ZB 39/05]; NJW-RR 15, 953 Rz 7). Hat er das Schriftstück in dieser Weise entgegengenommen, ist es unerheblich, ob er tatsächlich Kenntnis von seinem Inhalt genommen hat (vgl BGH MDR 20, 1393 [BGH 15.09.2020 - VI ZR 544/19] Rz 7). Ein RA ist nicht verfahrensrechtlich, sondern allenfalls standesrechtlich zur Entgegennahme verpflichtet (BGHZ 30, 299, 305 f; AnwG Köln BRAK-Mitt 14, 82; nach BGH NJW 15, 3672 Rz 6 ff und AnwG Ddorf BRAK-Mitt 14, 204 auch keine standesrechtliche Pflicht). Fehlende Empfangsbereitschaft kann nicht nach § 189 geheilt werden (vgl BGH NJW-RR 15, 953 [BGH 13.01.2015 - VIII ZB 55/14] Rz 7, 12 mN; BVerwG NJW 15, 3386 [BVerwG 27.07.2015 - BVerwG 9 B 33.15] Rz 5).

 

Rn 4

Der Zustellungswille wird idR durch die Übersendung des vorbereiteten Empfangsbekenntnisses oder die Bitte um Übersendung eines solchen zum Ausdruck gebracht (BGHZ 14, 342, 344).

 

Rn 5

Das Empfangsbekenntnis ist auch nach neuem Recht Wirksamkeitsvoraussetzung der Zustellung (BTDrs 14/4554, 18; BGH MDR 20, 1393 [BGH 15.09.2020 - VI ZR 544/19] Rz 7; NJW 05, 3216, 3217; Eyinck MDR 11, 1389, 1390). Es muss (auf Kosten des Zustellungsadressaten) in der Form des Abs 4 vom Zustellungsadressaten persönlich (oder seinem amtlich bestellten Vertreter, nicht aber vom Büropersonal, vgl BSG NJW 10, 317, 318 [BSG 23.04.2009 - B 9 VG 22/08 B]) erteilt und zurückgesandt werden. Ein schriftliches oder als Telekopie übermitteltes Empfangsbekenntnis muss von dem Zustellungsadressaten eigenhändig und handschriftlich unterschrieben sein (BGH NJW-RR 92, 1150). Das Empfangsbekenntnis kann auch als elektronisches Dokument (§ 130a) zurückgesandt werden (Abs 4 S 2). Es sollte in nahem zeitlichen Zusammenhang mit der Zustellung ausgestellt werden; dies ist aber nicht Wirksamkeitsvoraussetzung. Erforderlich ist lediglich, dass der Empfänger sich bewusst ist, noch an einem Zustellungsvorgang mitzuwirken (BGH NJW-RR 15, 953 [BGH 13.01.2015 - VIII ZB 55/14] Rz 7). Anfechtung und Widerruf des Empfangsbekenntnisses sind ausgeschlossen, wenn es erteilt, dh der Geschäftsstelle zugegangen, ist (vgl BGH MDR 17, 1318 Rz 14). Wird das unterschriebene Empfangsbekenntnis von einer Bürokraft weisungswidrig an das Gericht zurückgesandt, s...

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