Gesetzestext
(1) 1Aus erheblichen Gründen kann ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. 2Erhebliche Gründe sind insbesondere nicht
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das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist; |
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die mangelnde Vorbereitung einer Partei, wenn nicht die Partei dies genügend entschuldigt; |
3. |
das Einvernehmen der Parteien allein. |
(2) Die erheblichen Gründe sind auf Verlangen des Vorsitzenden, für eine Vertagung auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.
(3) 1Ein für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August bestimmter Termin, mit Ausnahme eines Termins zur Verkündung einer Entscheidung, ist auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. 2Dies gilt nicht für
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Arrestsachen oder die eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung betreffenden Sachen, |
2. |
Streitigkeiten wegen Überlassung, Benutzung, Räumung oder Herausgabe von Räumen oder wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs, |
3. |
(weggefallen) |
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Wechsel- oder Scheckprozesse, |
5. |
Bausachen, wenn über die Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird, |
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Streitigkeiten wegen Überlassung oder Herausgabe einer Sache an eine Person, bei der die Sache nicht der Pfändung unterworfen ist, |
7. |
Zwangsvollstreckungsverfahren oder |
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Verfahren der Vollstreckbarerklärung oder zur Vornahme richterlicher Handlungen im Schiedsverfahren; |
dabei genügt es, wenn nur einer von mehreren Ansprüchen die Voraussetzungen erfüllt. 3Wenn das Verfahren besonderer Beschleunigung bedarf, ist dem Verlegungsantrag nicht zu entsprechen.
(4) 1Über die Aufhebung sowie Verlegung eines Termins entscheidet der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung; über die Vertagung einer Verhandlung entscheidet das Gericht. 2Die Entscheidung ist kurz zu begründen. 3Sie ist unanfechtbar.
A. Normzweck.
Rn 1
Der Rechtsstreit soll nach angemessener Vorbereitung durch die Beteiligten zügig und in strukturierter Form durchgeführt werden. Häufige Terminsverlegungen führen zu einer Verzögerung des Verfahrens und zu erhöhtem organisatorischem Aufwand sowohl beim Gericht (neue Ladungen) als auch bei den Prozessbeteiligten, die umdisponieren müssen. Besonders misslich und deshalb möglichst zu vermeiden ist die kurzfristige Verlegung eines umfangreichen Termins auf einen wesentlich späteren Zeitpunkt, weil dies eine nochmalige Einarbeitung der Prozessbeteiligten erforderlich macht. Terminsänderungen sind deshalb auf die Fälle erheblicher Gründe beschränkt.
Das Gesetz unterscheidet zwischen Terminsverlegung (ein bereits angesetzter Termin wird vor seinem Beginn auf einen anderen Zeitpunkt verlegt), Terminsaufhebung (Absage eines Termins ohne gleichzeitige Festlegung eines neuen Termins) und Vertagung (Abbruch eines bereits begonnenen Termins, ggf unter Anberaumung eines Fortsetzungstermins). Für die Vertagung ist das Gericht (Spruchkörper) zuständig, ansonsten jeweils der Vorsitzende allein.
Die Vorschrift findet keine Anwendung auf die Verlegung oder Vertagung eines Termins zur Verkündung einer Zuschlagsentscheidung nach § 87 ZVG (BGH MDR 16, 907 f [BGH 12.05.2016 - V ZB 141/15]). Aufgrund des besonderen Regelungszusammenhangs bedarf es insoweit des Vorliegens zwingender Gründe.
B. Einzelheiten.
I. Glaubhaftmachung.
Rn 2
Zur Verhinderung von Missbrauch sieht Abs 2 auf Verlangen des Vorsitzenden (bzw bei Vertagung auf Verlangen des Gerichts) Glaubhaftmachung (§ 294) der geltend gemachten Verlegungsgründe vor. Wird ein Terminsänderungsantrag erst kurz vor dem anberaumten Termin gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet, muss die Partei die Gründe für die Verhinderung so angeben und untermauern, dass das Gericht die Frage der Verhandlungsfähigkeit selbst zu beurteilen vermag (BSG NJW 22, 422; BGH 12.3.2015, AnwZ [Brfg] 43/14, juris Rz 5; 28.11.16, AnwZ [Brfg] 23/16, juris Rz 10 ff; BFH/NV 18, 958 [BFH 08.05.2018 - XI B 5/18] Rz 13). Dies gilt grds auch bei einer Pandemie. Der Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes kann zwar im Einzelfall einen erheblichen Grund für eine Verlegung darstellen. Ein lediglich allgemeiner Hinweis auf die Corona-Pandemie und das generelle Infektionsrisiko reicht aber allein nicht aus, um eine Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Termins zu begründen (BGH NJOZ 22, 1495 Rz 14), da dieses ein allgemeines Lebensrisiko darstellt (vgl BVerfG NJW 20, 2327 [BVerfG 19.05.2020 - 2 BvR 483/20]). Bei einer Infektion wird eine Glaubhaftmachung durch eine ärztliche Bescheinigung oder eine Quarantäne-Anordnung ohne Weiteres möglich sein. Auch die konkrete Gefahr einer Infektion muss näher dargelegt werden. Hier reicht der Hinweis auf infizierte Kontaktpersonen etwa an der Arbeitsstelle aus. Die generelle Besorgnis, sich einer Infektionsgefahr auszusetzen, steht in Abhängigkeit von Art und Umfang der Infektionskrankheit sowie von behördlichen Empfehlungen oder gar Anordnungen hinsichtlich des Auf...