Gesetzestext
(1) Einer Androhung der gesetzlichen Folgen der Versäumung bedarf es nicht; sie treten von selbst ein, sofern nicht dieses Gesetz einen auf Verwirklichung des Rechtsnachteils gerichteten Antrag erfordert.
(2) Im letzteren Fall kann, solange nicht der Antrag gestellt und die mündliche Verhandlung über ihn geschlossen ist, die versäumte Prozesshandlung nachgeholt werden.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Vorschrift stellt den (strengen) Grundsatz auf, dass allein die Fristversäumung dazu führt, dass deren hieran geknüpfte nachteilige Folgen eintreten; es bedarf mithin grds keiner Belehrung, keiner Androhung und auch (sofern nicht besonders gesetzlich angeordnet) keines gegnerischen Antrags. Dies ist insb für die Rechtsmittelfristen von Bedeutung. Im Zivilprozess erfolgt auch im Parteiprozess keine Belehrung oder Androhung, so dass sich auch die nicht anwaltlich vertretene Partei selbst darum kümmern muss, ob, in welcher Form oder unter welchen Voraussetzungen eine Entscheidung mit Rechtmitteln angegriffen werden kann. Dies wird aber dadurch relativiert, dass Berufung und Revision im Zivilprozess ohnehin dem Anwaltszwang unterliegen, was in der Bevölkerung auch weithin bekannt sein dürfte. Von einem Anwalt muss die erforderliche Rechtskenntnis ohne weiteres erwartet werden; dies gilt auch im Fall einer Änderung der Gerichtsorganisation (häufige Fehlerquelle!). Die Gewährung effektiven Rechtschutzes ist durch das Fehlen einer Rechtmittelbelehrung vAw im Zivilprozess nicht in Frage gestellt (vgl BVerfG NJW 95, 3173). Mangelnde Rechtskenntnis der Partei über den Rechtsweg bzw das zulässige Rechtsmittel scheidet daher von vornherein als Wiedereinsetzungsgrund aus.
B. Ausnahmen.
I. Androhung/Belehrung.
Rn 2
Es gibt eine Reihe gesetzlicher Ausnahmen, bei denen eine Belehrung über die mit der Versäumung verbundenen Rechtsnachteile vorgeschrieben ist, zB beim schriftlichen Vorverfahren (§ 276 II), bei der Klagerwiderung (§ 277 II), mit der Folge, dass bei unterbliebener Belehrung eine der Partei nachteilige Entscheidung (Versäumnisurteil) nicht möglich ist (vgl § 331 I Nr 4).
Weitere Belehrungen sind in § 504 (bzgl Unzuständigkeit des Amtsgerichts) und § 692 I Nr 4 (Hinweis auf möglichen Erlass des Vollstreckungsbescheids) vorgesehen. Eine vorherige Androhung ist bei der Verurteilung zu Ordnungsgeld oder Ordnungshaft erforderlich (§ 890 II).
II. Antrag.
Rn 3
Die nachteilige Folge einer Fristversäumung tritt dann nicht automatisch ein, wenn das Gesetz einen Antrag der Gegenseite vorsieht. Bsp: nach vergeblicher Anordnung der Klagerhebung im Arrestverfahren erfolgt die Aufhebung des Arrestes nur auf Antrag, § 926 II; die versäumte Prozesshandlung kann nachgeholt werden, solange der Antrag noch nicht gestellt ist. Bei Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren gilt die Besonderheit, dass die Prozesshandlung (Verteidigungsanzeige) sogar noch bis zur Übergabe des unterschriebenen Versäumnisurteils an die Geschäftsstelle nachgeholt werden kann, mit der Folge, dass die nachteilige Folge nicht eintritt (§ 331 III).